Aus dem Editorial: Mit dem diesjährigen Heft schließen wir an die Ausgabe „Geographical Turn“ von 2010 an, in der wir uns den Jüdischen Studien jenseits der östlichen Grenze Deutschlands widmeten. Unser Augenmerk richteten wir damals auf das in Ostmitteleuropa wieder erwachende Interesse an der jüdischen Religion und Kultur und seine Konstituierung als Wissenschaft. Autoren aus Rumänien, Litauen, Polen, Tschechien und der Slowakei berichteten für PaRDeS über die Ergebnisse ihrer Forschungen zu jüdischen Themen. Die Beiträge spiegelten den thematischen Reichtum sowie die geographische und zeitliche Weitläufigkeit der Fragestellungen der Wissenschaft vom Judentum in Ostmitteleuropa wider. Mit einem geographisch definierten Schwerpunkt beabsichtigten wir, die heutige Landkarte der Wissenschaft vom Judentum mit deren beiden Zentren – Israel und den USA – detaillierter zu zeichnen. Auch mit dem aktuellen Themenfokus stellen wir uns dies zur Aufgabe. Hiermit legen wir ein Heft vor, das in Zusammenarbeit mit der Schwesterorganisation der „Vereinigung für Jüdische Studien e. V.“, der „British Association of Jewish Studies“ (BAJS), entstand. Der Akzent liegt diesmal auf der Wissenschaft vom Judentum auf den britischen Inseln, womit ein geographisches Gebiet fokussiert wird, das nach Frankreich die zweitgrößte jüdische Bevölkerung in Europa aufweist.
Rebekka Denz Boeken




Bürgerlich, jüdisch, weiblich
Frauen im Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (1918–1938)
Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C.V.) wurde 1893 in Berlin-Charlottenburg gegründet. Erst 15 Jahre später war es Frauen erlaubt, sich dort zu engagieren. Der C.V. wuchs zur mitgliederstärksten jüdischen Organisation im Deutschen Reich an. Er war ursprünglich etabliert worden, um dem Antisemitismus entgegenzutreten, aber er entwickelte sich zu einem?Gesinnungsverein?, in dem deutsch-jüdische Selbstverortungen ausgehandelt wurden.0In?Bürgerlich, jüdisch, weiblich? stehen erstmals die weiblichen Mitglieder des C.V. im Zentrum des Interesses. Untersucht werden in einem Zeitraum, der sich von der Einführung des Frauenwahlrechts nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 bis zur Zwangsauflösung des C.V. durch die Nationalsozialisten Ende 1938 erstreckt, ihre konkreten Arbeitsfelder ebenso wie die Rollenzuweisungen und die sich wandelnden Geschlechternormen.
Im Rahmen von zwei Workshops für Nachwuchswissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen, die im November 2012 bzw. im Oktober 2013 in Veitshöchheim (Unterfranken) stattfanden, wurde eine Auswahl des reichhaltigen Materials der Genisa-Forschungsstelle genau unter die Lupe genommen. Erstmals war es somit möglich, das vielfältige Quellenmaterial durch eine gemeinsame fächerübergreifende Bearbeitung zu untersuchen und sich durch inhaltliche Verknüpfungen und Assoziationen der fachkundigen Teilnehmer der Komplexität des fränkischen Judentums angemessen zu nähern. Erfreulicherweise haben einige der Workshop-Teilnehmer ihre Arbeitsergebnisse für diese Publikation aufbereitet. Die bei den Workshops untersuchten Quellenstücke wiesen keinen gemeinsamen inhaltlichen Schwerpunkt auf. Den Teilnehmern wurde eine Auswahl aus der großen Bandbreite zur Bearbeitung zur Verfügung gestellt. Untersucht wurden schriftliche und materielle Quellen unterschiedlichsten Inhalts, Sprache und Erhaltungszustands, die sich an den Sprachkenntnissen der Workshop-Teilnehmer orientierten. Hier hoffen wir auch in Zukunft, von den Spezialkenntnissen der Teilnehmer profitieren zu können. Eine umfassende Bewertung nach der Bearbeitung des Materials an nur einem Wochenende kann nicht erfolgen. Das erklärte Ziel der Workshops und der daraus entstandenen Publikation ist es, die Genisot in ihrer Vielfalt einem interessierten Publikum bekannt zu machen. Zugleich soll Interesse für weitere und intensivere Forschungen mit dieser speziellen jüdischen Quellengattung geweckt werden. Es wird sich zeigen, in wie weit die Fortsetzung der Workshops in den nächsten Jahren unser Bild vom jüdischen Leben in Franken bereichern kann.
Bundistinnen
Frauen im Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund ("Bund") dargestellt anhand der jiddischen Biographiensammlung "Doires Bundistn"
- 169bladzijden
- 6 uur lezen
Im fünften Band der Reihe Pri ha-Pardes skizziert Rebekka Denz die Geschichte von Frauen im Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund („Bund“) seit seiner Gründung 1897 bis zum Jahr 1939. Durch das Prisma der gewählten Hauptquelle ─ die Frauenbiographien der „Doires Bundistn“, einer jiddischsprachigen Biographiensammlung verfasst von Mitgliedern des „Bund“ ─ werden das Mitwirken und die Bedeutung von Frauen in dieser sozialistischen, jiddischistischen Bewegung Ost(mittel)europas dargestellt. Zudem wird ein erster Versuch unternommen, diesen Teil der bundischen Parteigeschichtsschreibung hinsichtlich ihrer (Re-) Konstruktionsprinzipien zu lesen. Die Arbeit gliedert sich dabei analog zum bundischen Selbstverständnis und der geographischen Verschiebung seines Hauptwirkungsfeldes in zwei Teile: Frauen im „Russischen Bund“ (1897-1917) und Frauen im „Polnischen Bund“ (1918-1939). Die Auswirkungen der unterschiedlichen historischen Kontexte auf lebensweltliche Aspekte, Tätigkeiten in Bewegung und Partei sowie Tendenzen der Lebensgestaltung der Bundistinnen werden anhand von drei Vergleichskapiteln aufgezeigt; weitere Einzelkapitel behandeln zeitspezifische Aspekte. Die Instabilität der Lebensverhältnisse für die Mitglieder im illegalen „Russischen Bund“ bzw. die größere Stabilität in der Zeit des „Bund“ in Polen als legale Partei bilden wichtige, bislang vernachlässigte Faktoren bei der Betrachtung der weiblichen Lebensmuster.