Armut in einer Form von Ehrlichkeit, wie sie nur lebt, wenn es nichts zu verlieren gibt. Wenige schaffen den Sprung raus ins gute »weiße« Auskommen, von großer Gefahr stets begleitet. Ein Mord für zwanzig Euro ist einfach zu bestellen. Verzweiflung über lange Jahre erlebt, prägt eine ganze Gesellschaft und verdrängt, vergiftet den Wunsch nach Moral. Die Trennung zwischen dem, was ist, dem, was als Wunsch besteht, und der Möglichkeit, sie mit Harmonie zu füllen, hat Kanäle gefunden, die sich schnell zu Seen ausgebreitet haben mit kleinen Inseln, für wenige von Skrupel- und Rücksichtslosigkeit gebildet. Der Wunsch, diese Inseln zu realisieren, geht bisher einher mit der Bereitschaft, gesellschaftliche Moral abzulegen. Es hat eine Sprachentwicklung stattgefunden, in der sich die konkrete Bedeutung von Worten aufgelöst hat, um den Teil der Verantwortung dieser Worte, die in ihnen die Verbindlichkeit ausgemacht haben, unter den Teppich zu kehren. Vergangenheit wird abgelehnt, weil sie in der Gegenwart im engen Sinne nichts bedeuten kann, sie nicht einzuhalten, nicht zu realisieren ist. Handlung und Worte werden Eintagsfliegen, die ihre Wirkung verloren haben. Was ist ein Versprechen, was Liebe, was Vertrauen, wenn die Zeit ihrer Gültigkeit mit der Dauer des Ausspruchs beendet ist.
Uwe Gröne Boeken




Der Autor kommt nach 25 Jahren nach Deutschland zurück. Viele Menschen sind zeitlich überfordert, gebückt, angepasst, durch Leistungsdruck verängstigt, mit unsicherem Pflichtlächeln, die Konturen durch Konsum genormt. Man bewegt sich auf dünnem Eis. Den sicheren Weg zu finden, durch Versuch und Irrtum, ist passé. Die Regel, einem Anderen nicht das zu tun, was man selbst nicht erleben möchte, hat nur noch eine angestaubte Vergangenheit. Der Autor besinnt sich seines Lebensweges, um am Verlauf gesetzter 'Ecksteine' auf Hinweise zu stoßen, die eine andere Entwicklung ermöglichten. Die beschriebenen Schilderungen, herausgelöst aus einer kontinuierlich gewachsenen Lebensgeschichte, erklären die Aneinanderreihung ohne deutlichen Zusammenhang. Und? Der Wunsch nach Bewusstwerdung ungeschönter Vergangenheit und nichts 'vergessen' zu haben, führte zum Titel des Buches.
ENTSCHLEUNIGUNG: Autor Uwe Gröne verlangsamt gedanklich seine Lebensgeschwindigkeit, um die stetig übereilt erlebten Ereignisse der Tagesabläufe in geeigneter Form noch einmal an sich vorbeiziehen zu lassen, sie dabei im Fokus, der Intensität entsprechend, zeitlich unbegrenzt zu bearbeiten und den Luxus des Verstehens der Situationen zu erleben. Die zunehmende Gleichgültigkeit aller im Verhalten zueinander, in allen Bereichen, auf allen Ebenen und der zunehmende Wunsch nach »größer, schneller, stärker, schöner, besser« zeigt eine zunehmende Oberflächlichkeit, die die eigentlichen Wünsche jedes Einzelnen nach echten Werten verblassen lässt, verhindert oder gar nicht erst entstehen lässt. Die Gefühlswelt ist unter Kontrolle geraten, Gefühle werden nur toleriert, wenn sie in die vorgefertigten Bereiche der bestehenden Konsumwelt passen. Eigenständige Gefühle bilden die Gefahr, aus den Gefühlen heraus eigene Entscheidungen über gut oder schlecht, schön und hässlich zu entwickeln und damit die Konditionierung zu beenden und abzulegen. Uwe Gröne beschreibt hier die verdrängten, übereilt überflogenen Erlebnisse von Lebensabschnitten in ihren Auswirkungen. Sie unbewusst als »erfolgreich – erfolglos« angenommen oder als zu belastend abgelehnt zu haben. Dabei wirbelt er die achtlos zu Staub zerriebenen, unter den Tisch fallengelassenen sensiblen Bereiche des Lebens auf, um an ihre Wichtigkeit und ihren Verlust zu erinnern.
Mit „Tongan Coffee“ ist hier eine pädagogische Arbeitssituation mit Sahnehäubchen gemeint. Sie erzählt über den Sozialarbeiter Gröne und dem ihm anvertrauten Zögling Sebastian auf der kleinen Südsee-Insel Fotoa/Tonga. Gröne hat den 16-jährigen Sebastian in Spanien im Auftrag eines Trägers vom Jugendknast in Valencia abgeholt und nach Deutschland gebracht. Hier wird versucht – trotz einer aussichtslosen Situation – einen Weg für Sebastian zu finden. Der Entschluss S. nach Tonga zu schicken, um ihm dort die Gesetze eines kleinen Inselstaates „Auge in Auge“ ohne Fluchtmöglichkeiten erleben zu lassen, bietet die letzte Möglichkeit. S. setzt seine Lebensgewohnheiten fort und entscheidet sich bei einer folgenden Gerichtsverhandlung für ein Jahr auf der kleinen unbewohnten Insel statt für das Gefängnis. Hier macht er die Erfahrung, bei Null anfangen zu müssen. Es gibt nur den tropischen Wald der Insel, Meer, Strände, Säge, Hammer, Draht, Streichhölzer, Schlafsack, einige Konserven, Trinkwasser, eine kleine Plane und G. – Über den Autor Uwe Gröne: 1947 geboren, hat er nach einer Handwerkslehre den zweitem Bildungsweg und ein Studium der Sozialpädagogik gemacht und als „Hand- und Kopfarbeiter“ in diesen Bereichen gearbeitet. Seit 1973 beschäftigt er sich mit sozial geschädigten Jugendlichen in Deutschland, Frankreich, Spanien, Tonga und Kolumbien.