Im Zuge der Debatten um die sogenannte Wissensgesellschaft ist die Geschichtlichkeit des Wissens seit einigen Jahren in den Fokus interdisziplinärer historischer Forschung gerückt. Wissen wird nicht mehr allein als eine Kompetenz von männlichen Eliten begriffen und nicht auf Institutionen wie Höfe, Klöster, Städte oder Universitäten begrenzt. Die Geschichte des Wissens will mehr leisten als eine disziplinäre Rückschau auf Human-, Naturwissenschafts- oder Technikgeschichte. Wissen ist zudem schon längst keine rein europäische Angelegenheit mehr, sondern wird in seinen globalen Zirkulationen historisiert. Insbesondere für die Geschichte der Frühen Neuzeit haben sich Wissensgeschichten zu besonders dynamischen Zugängen entwickelt. Die für diesen Band ausgewählten Beiträge zeichnen zentrale Etappen der Entwicklung der Wissensgeschichte der Frühen Neuzeit nach, skizzieren aktuelle Herausforderungen und präsentieren exemplarische Zugänge – vom Alltagswissen bis zur Geschichte der wissenschaftlichen Revolution.
Marian Füssel Boeken






Wissen und Wirtschaft
Expertenkulturen und Märkte vom 13. bis 18. Jahrhundert
Die im Band versammelten Aufsätze stellen Fallstudien zur Historisierung von Expertenwissen dar. Anhand der Interaktion von Experten auf Wissensmärkten sowie der Etablierung und Inszenierung von ökonomischen Experten untersuchen die Autorinnen und Autoren die Verbindung von Semantiken, Institutionen und Praktiken, um die spezifischen spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Formen von Ökonomie in Figurationen von Caritas und Wucher, Moral und Markt, Wissen und Wirtschaft herauszuarbeiten. Ihr Anliegen ist es, Heuristiken einer vielfach eingeforderten kulturwissenschaftlichen Wirtschaftsgeschichte auszuloten, um Begriffe wie Wirtschaft und Markt zu historisieren und eine bessere Modellierung vormoderner Ökonomien zu erreichen. Durch die Perspektive der longue durée ermöglicht der Band Einblicke in die Genese wirtschaftswissenschaftlicher Semantiken und ökonomischer Praktiken einer Umbruchszeit, in der wesentliche Weichen gestellt wurden für die Ausdifferenzierung von Wirtschaft als eigenständigem System, die für die moderne kapitalistische Wirtschaft als charakteristisch betrachtet wird.
Die Schriften von Michel de Certeau (1925-1986) verbinden Theologie, Geschichte und Psychoanalyse ebenso wie Kulturtheorie, Literaturwissenschaft oder Ethnographie und bieten so einen zentralen Anknüpfungspunkt für die modernen Kulturwissenschaften. Ausgangspunkt seines Denkens war und blieb für den Jesuiten Certeau die christliche Mystik. Ausgehend von der Beschäftigung mit der Frühgeschichte des Jesuitenordens wandte sich Certeau in den 60er Jahren verstärkt politischen Fragen zu. Wie für viele französische Intellektuelle markierte das Jahr 1968 einen entscheidenden Bruch in seinem Denken. Neben Grundlagenwerken zur Theorie der Geschichtsschreibung schuf Certeau mit der »Kunst des Handelns« (1980) schließlich einen modernen Klassiker der Kultur- und Alltagsgeschichte. Sind Certeaus Schriften im angloamerikanischen Raum inzwischen breit rezepiert, steht eine vergleichbare Rezeption in Deutschland noch aus. Daher bieten die hier versammelten Beiträge einen Überblick über die unterschiedlichen Facetten von Certeaus Denken. Entlang der Linien Geschichte, Kultur und Theologie werden grundlegende Fragen und Begriffe wie Struktur und Handlung, Raum und Ort, Fakten und Fiktionen oder Identität und Alterität von ausgewiesenen Kennern seines Werkes vorgestellt.
Am 18. Juni 1815 wurde die Schlacht bei Waterloo (oder La Belle-Alliance) geschlagen. Dort beendeten Wellington, Blücher und Gneisenau mit ihren englischen und preußischen Truppen die Herrschaft der Hundert Tage, die Napoleon I., aus dem Exil zurückgekehrt, noch einmal hatte errichten können. Marian Füssel erläutert die historischen Voraussetzungen der Schlacht, beschreibt den Weg Napoleons nach Waterloo, erzählt den Verlauf der Kämpfe, resümiert das Nachleben und erhellt die Entstehung des „Mythos Waterloo“.
Überblick über den äSiebenjährigen Kriegä (1756-1763): Ursachen und Vorgeschichte, Kriegsführung auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen, Ausgang und Ergebnisse des Krieges, Historische Einordnung. Geeignet für Schülerreferate.
Combattuta in Europa, America e Asia dal 1756 al 1763, la guerra dei Sette anni fu – come disse Winston Churchill – la prima vera guerra mondiale. Le principali potenze europee – fra le quali la Prussia di Federico II, la Francia e l’impero britannico – si affrontarono in una lunga serie di battaglie il cui esito avrebbe ridisegnato le rispettive zone d’influenza sullo scacchiere internazionale. Il volume ne ripercorre lo svolgimento, dalle premesse (la controversia sulla Slesia) fino alle conseguenze che il conflitto ebbe su eventi successivi come le rivoluzioni atlantiche (Inghilterra, America del Nord, Francia).
Die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) zählt zu den meistdiskutierten Theorie- und Methodenansätzen der Gegenwart. In historischen Fallstudien vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert werden ihre Potentiale für die Geschichtswissenschaft ausgeleuchtet. Das über den Menschen hinaus erweiterte Akteurskonzept der ANT gilt vielen als epistemologische Provokation. Die Ansätze der ANT gehen jedoch weit darüber hinaus und lassen sich weder auf Geschichten vermeintlich zum Leben erweckter Objekte noch auf das Werk Bruno Latours reduzieren. Trotz der Analyse historischer Gegenstände durch einige Akteur-Netzwerk-Theoretiker bleibt die Historizität jedoch eine Art blinder Fleck des Ansatzes. Die Aufsätze des Bandes nehmen dies zum Anlass, um Möglichkeiten und Grenzen der ANT für die historiographische Praxis aufzuzeigen.
Wissen
Konzepte – Praktiken – Prozesse
Wissen ist nicht nur eine umkämpfte Ressource unserer Gesellschaft, sondern mittlerweile auch ein zentraler Gegenstand der Geschichtswissenschaften. Seit den 1990er Jahren hat sich neben der Wissenschaftsgeschichte eine eigene Wissensgeschichte etabliert, deren Themen und Theorien weit über das wissenschaftliche Wissen hinausgehen. Gerade diese Dynamik der Ausweitung macht einen komprimierten Überblick erforderlich – Marian Füssel bietet ihn mit dieser prägnanten Einführung in ein wichtiges Thema der historischen Kulturwissenschaften. Thematische Schwerpunkte des Studienbuchs bilden Räume, Institutionen, Akteure, Praktiken, Medien, Prozesse und Narrative der Geschichte des Wissens, also Archive und Bibliotheken, Akademien und Universitäten, Wunderkammern und Museen oder die Gelehrtenkultur Europas seit dem Mittelalter. Außerdem diskutiert der Band auf dem aktuellen internationalen Forschungsstand unterschiedliche Wissensbegriffe, das Verhältnis von Wissensgeschichte und Wissenschaftsgeschichte, die Geschichte des Nicht-Wissens und die Historisierung der Wissensgesellschaft.