Das Karussell - Schwindel, Tausch und Täuschung
Szenen einer Medienphilosophie
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Szenen einer Medienphilosophie
Zur Inszenierung von Askese und Verausgabung
Über die Anfänge der Psychoanalyse und das Reale in den Wissenschaften
Seit der Traumdeutung begann Freud, die Psychoanalyse zugleich als Technik und Institution zu installieren. Von Erfolg ist sein Paradigma einer Institutionalisierung von Wissen deshalb begleitet, weil er einen Übertragungsweg von Realem und Realität instrumentalisiert. Er geht vom Symptom aus, um die Dekonstruktion der Realität reversibel zu machen. In „kriminalistischen“ Falluntersuchungen bringt er die Leiche des Subjekts zum Sprechen. Der Essay folgt Freuds Rekonstruktion mit Rücksicht auf die zentrale Inversionsstelle von Physik, Psychoanalyse und Philosophie: das „funktionale Phänomen“. In Anbetracht der semiologischen Technik, zugleich mit dem Objekt eine Methode zu entwickeln, wird der Versuch unternommen, Subjektivität in den virtuellen Dimensionen des Realen zu verifizieren. Grundfiguration dieses postmodernen Typus der Selbstreflexion von Wissenschaftsgenealogie ist der psychosemiologische Komplex. Ihm wird beispielhaft in der Quantenphysik, den detektivischen Methoden von Chandler bis Hitchcock und – ironisch invertiert – den Produktionsbedingungen des Autors nachgegangen.
Psychosemiologische Vorlesungen über Semiologie, Psychoanalyse und Technik
Die Frage „Warum Schreiben?“ wendet sich an die symptomatische Darstellungsform einer Kulturtechnik - den Rückaneignungsvorgang von Selbstpräsenz -, die sich in den Methoden von Semiologie und Psychoanalyse realisiert. Sartre überbrückt die methodologischen Differenzen noch mit der Frage nach dem Übertragungsziel: „Für wen Schreiben?“ Der andere des Schreibenden kann animistisch oder fetischistisch unterstellt werden: als Ding, als Signifikant, als Phantasma, als Körper. Die Problematisierung von Schriftübertragung als semiologischer Differenz indiziert zudem unterschiedliche, synchrone Transformationsmuster, die die Verstehensoptionen des anderen systematisch unterlaufen, die narzisstische Starre dekonstruieren und den hermeneutischen Universalismus kippen. Die psychosemiologische Methode approximiert hier an den Grundbegriffen der Übertragung die Distanz zweier Begehrensstrukturen nicht als Verstehensoption, sondern als Verführungsszenario. Im Paradigma des Barock taucht diese Ansicht implizit ästhetisiert auf. Hier sieht sich zum ersten Mal ein Subjekt von maschinell transformierenden Darstellungstechniken disloziert.
Als Wanderer, Flaneur, Suchender, dem Zufall ausgesetzt und doch einer Geschichte folgend - so inszeniert sich der Fotograf als Retter des vergehenden Augenblicks im vergegenwärtigenden Bild. Der in diesem Band aufgearbeitete Diskurs über das Fotografische versucht, den Moment des Fotografierens und den der Bildbetrachtung als Schriftlichkeit, Verräumlichung und Inszenierung auszulegen. Das Fotografische wird zur Allegorie widerstreitender Zeitlichkeit: Rettung des Augenblicks im Bild und Einsicht in die Vergänglichkeit. Nur im bildbegleitenden Schreiben ist dieser Widerstreit erträglich. Unter dem Begriff »Bildschriftlichkeit« wird die Präsenz- und Zeitproblematik des Aufschreibesystems Fotografie mit zahlreichen Zitaten von Derrida, Benjamin, Barthes, Sontag, Flusser, Virilio, Baudrillard, Krauss, aber auch Luhmann, Heidegger und anderen belegt und kommentiert. In einem Essay des Autors werden diese Äußerungen über das Fotografische zu einem gangbaren Weg verbunden.
Der Diskurs der Bedeutungsproduktion in Präsenzgesellschaften
Seit Saussure wird die Verbindung einer Vorstellung mit einem Lautbild »Zeichen« genannt. Um uns die abstrakte Form dieser Verbindung verständlich zu machen, stellt Saussure eine visuelle Szene dar: Er zeichnet einen Baum über das Schriftbild »Baum« und trennt die Relation durch eine horizontale Linie. Um die Darstellung zeichnet er eine Ellipse und fügt zwei Pfeile hinzu, die anzeigen, dass die Verweisung umkehrbar ist. Seine Vorgehensweise verdeutlicht den Prozess der Inszenierung in Mediengesellschaften, die mit Präsenzzeichen handeln, ohne die Abstraktion technisierter Praxis vermitteln zu müssen. Mit Saussures Darstellung beginnt eine Systematik wissenschaftlicher Zeichendefinition, die vor allem der französische Strukturalismus variantenreich ausformuliert hat. Die in diesem Band versammelten Vorlesungen zeichnen die Problem- und Diskursgeschichte einer Semiologie des 20. Jahrhunderts nach - bis hin zur handlungstheoretischen Rückbesinnung; als Systemtheorien werden die strukturalen Positionen der Semiologie wieder in Handlungsmuster aufgelöst, um die Kluft zwischen kybernetischen und sinnlichen Vollzügen szenisch zu übersetzen.
Verstehen, was sich nicht erklären lässt
Szenische Hermeneutik fragt danach, wie Sinn entsteht, wenn Subjekte sich in sozialen Handlungen wechselseitig Autorschaft zuweisen. Sind mehrere Subjekte simultan präsent, muss über die Koordination von Sprechen und Zuhören, Aktion und Agitation szenisch verhandelt werden. Situativitäten verwandeln sich dann in Narrative: Präsenzen werden zu Erzählungen. Solche Verhandlung und Verwandlung wird als »Verstehen von Sinn« erklärt. Szenische Hermeneutik fragt demnach, wie ein Sinnangebot durch einen Anderen legitimiert und inszeniert ist. Sie argumentiert handlungspragmatisch, nicht vornehmlich semantisch. Ralf Bohn bezieht sich sowohl auf theologische und philosophische Positionen der Hermeneutik von Schleiermacher über Dilthey bis Gadamer und von Sartre bis Heidegger als auch auf aktuelle Präsenzauffassungen von Szenifikation, Bildlichkeit und Erzählung, wie sie etwa Freud, Winnicott und Lorenzer entwickelt haben. Im Zentrum der Analyse von Inszenierungsereignissen steht nicht das auf die Szene bezogene Raumproblem, sondern die Erfassung hermeneutischer Zeit.