Der zweite Band beleuchtet zentrale Herausforderungen der Anfangszeit des deutschen Sozialstaats, insbesondere die Einflussnahme der Sozialbürokratie auf die Gesetzgebung. Zudem werden die sozialpolitischen Ansichten von Bismarcks politischen Gegnern im Reichstag sowie der Aufstieg von Experten auf diesem Gebiet thematisiert. Die Untersuchung bietet einen tiefen Einblick in die komplexen Dynamiken und Konflikte, die die Entwicklung der "Bismarck'schen Arbeiterversicherung" prägten und deren Bedeutung für die soziale Absicherung weltweit unterstreichen.
Wilfried Rudloff Boeken





Die Städte bildeten im Kaiserreich eine eigene Ebene der Sozialstaatlichkeit. Der Kern städtischer Daseinsvorsorge lag in der alten Armenpflege, die für die elementaren Lebensbedürfnisse der in materielle Not Geratenen zu sorgen hatte. Um die Armenpflege herum legte sich in den großen Städten seit den 1890er Jahren zunehmend ein Kranz von Einrichtungen und Maßnahmen, die über die unmittelbare materielle Hilfe für die Armen hinaus auf die Versorgung der minderbemittelten Schichten mit den sozialen Gütern Arbeit, Wohnung, Gesundheit und Erziehung zielten. Der Band illustriert, wie sich die öffentliche Armenpflege, auch unter dem Einfluß der neuen Arbeiterversicherung, um die Jahrhundertwende weiterentwickelte und wie an ihrer Seite neue Zweige der sozialen Daseinsvorsorge entstanden, die unter dem Begriff der kommunalen Wohlfahrtspflege zusammengefaßt werden.
Die Armenpflege bildete im entstehenden Sozialstaat des Kaiserreichs das unterste Auffangnetz sozialer Sicherung. Dieser Band dokumentiert die lokale Ordnung des Armenwesens: den normativen Handlungsrahmen der Armenpflege, die kommunalen Institutionen der Armenverwaltung, die Zusammenarbeit mit der privaten Vereinswohltätigkeit, die Einrichtungen der Anstaltspflege auf Gemeindeebene, die Aufgaben der ehrenamtlichen Armenpfleger, die Debatten um die Instrumente des Arbeitszwangs und der Arbeitshauseinweisung wie auch die Auseinandersetzung mit dem Bettelwesen und Vagantentum. Einbezogen werden zudem die Ursprünge der am Rande des Armenwesens entstehenden Kinder- und Jugendfürsorge. Überdies wird neben dem Blick auf die Großstädte ein Augenmerk auch auf die Klein- und Mittelstädte und auf das ländliche Armenwesen gerichtet. Deutlich wird das doppelte Gesicht der Armenpflege: das Bestreben nach einem Ausbau der städtischen Unterstützungsangebote, aber auch nach einer Ausweitung der armenpolizeilichen Eingriffsinstrumente.
Umfassend wird hier über die Anfänge des kollektiven Arbeitsrechts sowie über die Versuche zur Schaffung eines Berufsvereinsrechts und einer besonderen Gerichtsbarkeit informiert. Weitere Schwerpunkte: Ablauf der großen Arbeitskämpfe in Waldenburg (1869), Königshütte (1871) und im Ruhrgebiet (1872); Reaktionen von Bürgertum und Staat auf die Selbsthilfebestrebungen der Arbeiter.