Ein Ausflug mit der normalspurigen, überaus windungs- und steigungsreichen Kleinbahn von Wilhelmshöhe nach Naumburg war für viele Bewohner der Bezirkshauptstadt noch in den 60er Jahren obligatorisch. Sie liebten es, durch die großen Fenster der alten Zweiachser – gezogen von einem der kräftigen E-Kuppler von Krauss – die reizvolle Landschaft zu genießen und sodann eine Wanderung auf die umliegenden Berge zu unternehmen. Dank der Initiative des Hessencourrier e. V. ist dieses Vergnügen heute wieder möglich. Lange Jahre erbrachte die Kleinbahn wertvolle Dienste sowohl für die Landbevölkerung als auch für die aufstrebende Industrie im Raum Kassel. Neben landwirtschaftlichen Erzeugnissen transportierte sie die in den anliegenden Steinbrüchen gewonnenen Gesteine ab, in langen Arbeiterzügen brachte sie die Menschen aus den Dörfern zu ihren Arbeitsplätzen nach Kassel sowie später – nach dem Bau der Flugmotorenwerke bzw. des VW-Werks – nach Altenbauna und schließlich wickelte sie für die Fabriken den umfangreichen Güterverkehr ab. Seit der Einstellung des Personenverkehrs (1977) sowie des Güterverkehrs Großenritte – Naumburg (1990/91) ist die Zeit der alten Naumburger Kleinbahn nunmehr vorbei. Der Wunsch nach einem Bahnanschluß keimte in den Gemeinden südlich des Habichtswaldes bereits vor annähernd 125 Jahren auf, jedoch verstrichen bis zum Bau der Kleinbahn nochmals zehn Jahre. Ihr Einzugsgebiet war eher ländlich geprägt, daneben die Topographie für einen Bahnbau außerordentlich anspruchsvoll und somit selbst eine Ausführung als Kleinbahn sehr aufwendig und für die Gesellschafter recht riskant. Trotz allem konnte die Bahn realisiert werden – und sie bildet über viele Höhen und Tiefen hinweg nach mehr als 110 Jahren noch heute eine wichtige Verkehrsader im Großraum Kassel. Nach der schrittweisen Eröffnung in den Jahren 1903/04 avancierte sie unter der Bevölkerung zwischen Nordshausen und Naumburg rasch zum unentbehrlichen Bestandteil des täglichen Lebens. Sie erlaubte eine schnellere und obendrein bequemere Fahrt zum Arbeitsplatz in Kassel, andererseits den Handwerks- und Gewerbebetrieben entlang der Strecke durch den Transport von Waren ein wirtschaftliches Gedeihen. In ihren ersten Jahrzehnten war sie eine klassische Kleinbahn – geprägt durch sparsame Betriebsführung, simple Ausstattungen, Verspätungen und mitunter auch Entgleisungen. Beim 50-jährigen Jubiläum im Sommer 1954 resümierten Fahrgäste, welche die Bahn seit jeher kannten, daß sich doch viel geändert habe: Vor dem 1. Weltkrieg meckerte kein Mensch, wenn das Zugpersonal in Elgershausen im Wartesaal verschwand und einen „Kleinen“ hob. Damit war es spätestens nach der Währungsreform 1948 vorbei, zunehmend hatte die Kleinbahn – oftmals begleitet von teils gutmütigem, teils boshaftem Spott – gegen den stetigen Fahrgastschwund zu kämpfen, der im September 1977 schließlich das Aus für den Personenverkehr zwischen Kassel und Naumburg bedeutete. Das ab Ende der 50er Jahre in Altenbauna (jetzt Baunatal) errichtete VW-Werk beschert der heutigen Kassel-Naumburger Eisenbahn auch weiterhin ein beträchtliches Frachtaufkommen. Während die prächtigen Farb- und SW-Aufnahmen überwiegend aus den 60er Jahren dazu einladen, in Erinnerung zu schwelgen und in die längst vergangene Welt der Naumburger Kleinbahn einzutauchen, wird der Historiker gewiß bemerken, daß durch die Sichtung von Primärquellen zahllose Unstimmigkeiten und Lücken früherer Veröffentlichungen korrigiert bzw. geschlossen werden konnten. Alles einsteigen bitte!
Jochen Fink Boeken



Die Hanauer Kleinbahnen, eröffnet 1896, erlebten nach nur 37 Jahren ihr Ende aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise. Mit etwa 20 km Streckenlänge zwischen Hanau Nord, Hüttengesäß und Langenselbold zählten sie nicht zu den großen Kleinbahnen, hatten jedoch eine besondere Geschichte. Der Unternehmer Hermann Christner baute die Bahn auf Privatinitiative und brachte sie in eine Aktiengesellschaft ein, die später an die Vereinigte Eisenbahn-Bau- und Betriebs-Gesellschaft (VEB) in Berlin verkauft wurde. Der hohe Kaufpreis brachte zwar Gewinn, belastete jedoch den Betrieb mit einer hohen Hypothek. Trotz eines stabilen Beförderungsaufkommens von mindestens 500.000 Fahrgästen jährlich, was 1919 sogar eine Million erreichte, litt die Kleinbahn unter Niedrigtarifen und hohen Instandhaltungskosten. Die finanziellen Mittel reichten nicht für notwendige Sanierungen, und der Zustand der Anlagen verschlechterte sich zusehends. Zudem verlagerte sich der Verkehr zunehmend auf die Straße, begünstigt durch den wachsenden Kraftverkehr und radfahrende Pendler. Der Mangel an separaten Trassen und die Straßenbauprojekte im Dritten Reich führten letztlich zum Ende der Kleinbahn. Heute sind von der einstigen Trasse kaum noch Überreste zu finden.