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Judith Kasper

    Der traumatisierte Raum
    Land und Streit
    • Land und Streit

      Spuren der Nachlese

      Die letzten Ähren, die nach der Ernte noch übrig waren, wurden bei der sogenannten Nachlese von denjenigen aufgesammelt, die über keinen Besitz verfügten. Dieser vormoderne Gewohnheitsbrauch stiftet Judith Kasper zu einer Spurensuche in gebückter Haltung an, in der sie sammelt und zusammenfügt, was andere haben fallen lassen: Die alttestamentarische Geschichte Ruts wird zum Anlass einer etymologischen Suche nach der Bedeutung des Wortes »leer«. Aus der harschen Verurteilung des Gewohnheitsrechts des Holzraffens nach der Französischen Revolution entwickelt sie eine genaue Lektüre eines bisher kaum besprochenen Kommentars von Karl Marx. Anhand von Balzacs unvollendetem Roman Die Bauern zeichnet Judith Kasper die Parzellierung der Landwirtschaft und die damit verbundene Kriminalisierung der Nachlese nach. In der französischen Malerei zeigen sich ihr die glaneuse genannten Ährensammlerinnen als beinahe revolutionäre Subjekte. Und in der Philologie des 19. Jahrhunderts wird klar: »Ährenlesen ist Ohrenlesen: mit den Ohren lesen«. Die Nachlese offenbart sich hier als eine politisch radikale und stets mehrdeutige Praxis, als ein poetischer Gegenentwurf zur christlichen Gabe, die immer auch einen Gebenden voraussetzt. In kurzen, längeren und kürzesten Texten kreist dieser Essay um die Notwendigkeit, immer ein klein wenig zurückzulassen, damit andere es auflesen können.

      Land und Streit
    • Der traumatisierte Raum

      Insistenz, Inschrift, Montage bei Freud, Levi, Kertész, Sebald und Dante

      Mit dem Konzept des traumatisierten Raums wird gezeigt, wie die Geschichte der Zerstörung, die das Europa des 20. Jahrhunderts durchzieht, nicht mehr als zeitliche Abfolge, sondern als räumliche Zersprengung gedacht werden muss. Der psychoanalytisch zugespitzte Trauma-Begriff, der durch eine Relektüre von Freuds diesbezüglich entscheidenden Schriften gewonnen wird, ermöglicht es, herkömmliche Raumvorstellungen auf eine andere Topologie hin zu öffnen, mit der das Europa als reale und zugleich phantasmatische KZ-Landschaft in den Blick rückt. Levi, Kertész und Sebald wissen etwas davon, insofern ihre Texte, jenseits ihres dokumentarischen Werts, zu einer grundsätzlichen Verunsicherung der Repräsentationen des Raums der Vernichtung beitragen. Wenn in ihnen die Trope des Inferno eine Rolle spielt, so wird damit nicht mehr auf eine vermeintlich stabile Weltordnung verwiesen, die durch Dantes Commedia garantiert wäre. Vielmehr wirft die insistente Wiederkehr des Inferno in den Zeugenschaften über das Lager die Frage auf, wie es um das Wirken des Traumatischen in Dantes Raumordnung selbst bestellt ist.

      Der traumatisierte Raum