„Erinnern sie sich an das Ende von North by Northwest?“ fragt ein entspannter Regisseur seinen Interviewpartner, der hastig bekräftigt, sich an die Szene des einfahrenden Zuges zu erinnern. „Nun“, fährt der Regisseur fort, „es handelt sich hier um puren Sex.“ Diese Aussage von Hitchcock überrascht, da er ein Meister der Täuschung und Mehrdeutigkeit war. Sein eindeutiges Statement könnte darauf hindeuten, dass er etwas anderes verbergen möchte, doch Truff fragt nicht nach. Hitchcock selbst hat die Verbindungen seiner Filme zu Poe, Dostojewski und E. T. A. Hoffmann analysiert, jedoch bleibt der Bezug zu Sören Kierkegaard unerforscht. Es mag schwer vorstellbar sein, dass zwischen dem korpulenten, katholischen Familienvater aus England und dem wütenden protestantischen Hagestolz aus Kopenhagen eine Verbindung besteht. Dennoch sind die Übereinstimmungen so prägnant, dass Kierkegaards „Entweder-Oder“ als ein Hitchcock-Programm vor der Erfindung der Kamera interpretiert werden kann. Kierkegaard betont, dass Glück oft notwendig ist, um Verborgenes zu finden; spiegelbildlich könnte man sagen, dass Systematik nötig ist, um in Hitchcocks Filmuniversum die ethischen Implikationen hinter der ästhetischen Oberfläche zu erkennen. In diesem Band versammeln sich Artikel zu bekannten Hitchcockfilmen, die das ästhetische Muster und die dahinterliegenden mentalen und ethischen Kettfäden sichtbar machen. Denn in der letzten Einstellung von North b
Nikolai Wojtko Boeken


Wie gibt sich das Begehren zu erkennen? In stets unterschiedlichen Formen, da es durch seine ständige Re-Produktion gekennzeichnet ist. Ich war in eine tiefe Träumerei versunken, eine alltägliche Entrückung, die zugleich den Ursprung philosophischer Tätigkeiten markieren kann. Nicht das Denken selber, sondern die Abwesenheit klar fassbarer Gedanken werden so als Grundlage der Verstandestätigkeit angesehen. Was aber treibt die Handlungen an, wenn doch der Verstand diese lediglich bremst, um sich ordnend Klarheiten zu verschaffen? Ebenso wie das Begehren erscheint der Traum als Ort jenseits der rationalen Kriterien. Beide, so scheint es, bilden einen Hohlraum, um den herum sich der Verstand rankt, im Versuch diesen zu ergründen. Liegt nicht in dieser Stelle die List der Vernunft begründet, die im Vollzug ihres Versprechens auf Klärung selbst jene Wunde schlägt, deren Heilung sie zu sein vorgibt? Um diese Frage zu erörtern, werden verschiedene Darstellungsvarianten des Begehrens in ihren scheinbar paradoxen Erscheinungsweisen in den Fokus dieser Analyse gestellt.