Die Europäische Union muss sich 60 Jahre nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge neuen Fragen stellen. Wie gerecht ist die EU? Wie gerecht kann sie normativ überhaupt sein? Im vorliegenden Band wird in Anlehnung an John Rawls die "Theorie der Gerechtigkeit" und das "Recht der Völker" modifiziert und auf den transnationalen Raum angewandt. Ziel dieses Bandes ist es, herauszufinden, ob und wie eine normative Gerechtigkeitsvorstellung im transnationalen Raum aussähe. Dafür wird die Idee der Völkergesellschaft entwickelt.
Eva Charlotte Proll Boeken


Die gesamte Euro-Krise ist durch ständige Brüche in der Logik nationalstaatlicher Souveränität geprägt. Dort wo Parlamente ihre Hoheit über die Bestimmung von Haushaltsbudgets aufgeben müssen, weil sie auf die Hilfszahlungen anderer Staaten angewiesen sind, wird der Souveränitätsbegriff zur Fiktion. Griechenland kann sich nicht gegen die Rettungsmaßnahmen und deren Bedingungen widersetzen. Das Verständnis von Solidarität wird so ausgehöhlt, dass sich alle Nationalstaaten zwar dazu verpflichten, sie letztlich jedoch unter Erhalt ihrer Souveränität wieder zurückziehen können. Immer wieder treten Souveränität und Solidarität nebeneinander, die Souveränität der Nationalstaaten überwiegt jedoch im Spannungsverhältnis als Handlungsmaxime. Dieses Spannungsverhältnis wird somit von der Autorin Eva-Charlotte Proll als post-supranational bezeichnet. Einen europäischen „Superstaat“ zu definieren, der diese Pluralität überwinden kann, wird wohl die Aufgabe der Politischen Theorie in der nächsten Dekade sein.