Historiker konzentrierten sich lange Zeit auf die Entwicklung des Staates im frühneuzeitlichen Europa, wobei das Heilige Römische Reich und Polen-Litauen oft als kuriose Ausnahmen betrachtet wurden. Nationale Meistererzählungen hinderten jedoch daran, die Gemeinsamkeiten in der deutschen und polnischen Geschichte zu erkennen. Ein Vergleich der beiden politischen Entitäten fand selten statt, obwohl die komparatistische Methode hilfreich ist, um diese Staatsgebilde zu entexotisieren. Der vorliegende Band versammelt Beiträge von Experten der deutschen und polnischen Geschichte der Frühen Neuzeit und eröffnet vergleichende Perspektiven auf beide Länder. Die Autoren identifizieren einen Typus politischer Ordnung, dem sowohl das Heilige Römische Reich als auch Polen-Litauen zugeordnet werden können: das frühneuzeitliche europäische Reich. Dieses zeichnete sich durch die bedeutende Rolle ständischer Versammlungen, Konzepte von Libertät, Republik und gemischter Monarchie sowie eine mehrschichtige konstitutionelle Ordnung aus. Weitere Merkmale sind eine defensive Militärverfassung, lose Integration von Peripherien, begrenzte zentrale Ressourcenabzüge und konfessionelle Pluralität. Der Sammelband leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Geschichte politischer Ordnungen im Europa der Frühen Neuzeit.
