Okay, niemand verändert sich freiwillig grundlegend. Wenn komfortabel konserviert, warum die Sicht ändern? Bei mir läuft gar nichts mehr, wie einst erträumt. Genauer: Träumen wird von Kindesbeinen an unerträglich gestört, kriegsverletzt in der Seele. Je auswegloser, desto wunderbarer die Voraussetzung für Transformation bis in die Wurzeln, höre ich, geradezu ein Gnadengeschenk. Am Abgrund erstrahlt Licht am hellsten. Nicht jammern: loslegen! Geburt bringt Schmerz, Abschiedsschmerz. Und tschüss! Dann will ich mal.
Hans-Jürgen Schmejkal Boeken






Gegenstände abbilden? Nein, weit darüber hinaus, denn was der Gegenstand sei, bestimmt ein Bezugsprogramm des lebenden Betrachters, bestimmt seine gesamte Lebenserfahrung meist bereits als Kind verkommen, seltener als Erwachsener weiterentfaltet. Betrachten wird hier als schöpferischer Vorgang erlebt und dargestellt. Niemand sei einfach so der Welt ausgeliefert, sondern erfährt und erwandert sie gemäß dem Bewusstsein, welches im teilnahmslos mitfühlenden Betrachter zur Blüte kommt. Wirklichkeit als Schein, als Oberfläche wahrzunehmen, indiziert todsicher Wahrnehmungsbehinderung. Wahrhaftigkeit ist Tiefe in Tiefe in Tiefe, ist Höhe in Höhe in Höhe, ohne Ende, ohne Anfang, zeitlos. Sonderbar die Rolle des darstellenden Künstlers: ein Bild aus Linien zu erschaffen. Sonderbar daran sei die Tatsache, dass es in Wirklichkeit keine Linien gibt. Sie sind gedankliche Annahmen, denen draußen nichts entspricht. Das Gehirn verfügt über die Fähigkeit, aus nichtvorhandenen Bedingungen ein Bild zu erzeugen, eine Art Luxus im Universum, welcher bislang nur dem lebendigen Menschen auf einer einzigen Erde zuteilwird. Noch weiter auf den Punkt gebracht, leistet sich das Universum im Menschen den einzigartigen Luxus sich selber zu betrachten. Und das in dem Moment, in dem das anerzogene Ich sich total auflöst. Wie jetzt? Niemand betrachtet Nichtvorhandenes? Und fühlt sich selig dabei?
Was geschieht? Während des Malens klärt sich Einsicht. Woher der seelische Zusammenbruch, wo doch alle ringsum derart ausgelassen fröhlich und inmitten ich? Ich eben nicht mittendrin, indes innen hinter dem Schleier aus Sehnsucht und Gier wie gelähmt, bestenfalls, solange fotografierend, doch wohl eher voyeurähnlich an der Szene teilnehmend, statt unmittelbar. Seniler Spannerpavian, dem Gesang tanzender Sirenen vernichtend ausgeliefert? Und als tiefster Schmerz die bislang nicht wirklich erreichbare, und deshalb umso intensiver begehrte und besungene Prinzessin? Die Wahrheit ist, bislang sah ich keinmal die begehrte Geliebte nackt, geschweige denn berührte ich sie im ganzkörperlichen Miteinander, im Tanz der Triebe. Weder den Verlassenen noch die unerfüllte Sehnsucht, all das will ich nicht mehr. Auf einmal erscheint das Sehnen als Bild. In mir hat sich unbemerkt ein Bild aus vielen einzelnen Details, aus Wünschen und Vermutungen, aus bereits miteinander erlebten Berührungen zusammengefügt und eingefunden: das Bild der nackten Geliebten, die ich ja bislang in Wirklichkeit niemals nackt sah, aber umso heißer ersehnte. Die eingebildete Vorstellung der nackten Geliebten, auf die alles Begehren hinstrebt, verhindert den unmittelbaren Kontakt zur lebenden, bislang nicht nackten Geliebten vor Augen und vor Herz.
Eine Kerze zündet er an (oder sie ihn) zur Feier des Augenblicks, zum Frohlocken gegenwärtigen ungewohnten Glücks, ohne sich vor sich selber oder einer quälenden, weil viel zu hohen und deshalb unerreichbaren Vorstellung von sich oder vor dem Boss der Firma bewähren oder irgendeinem Wahnsinnigen der Straße bewahren und schützen zu müssen. Niemand ruft. Weder außen noch innen. Niemand will etwas gereicht bekommen, kein Wasser, kein Stück Brot etwa, obwohl die halbe Welt an Hunger leidet. Niemand will in die Arme genommen werden, obwohl man gewöhnlich um die halbe Erdkugel reist, um nur eine winzige Geste der Freundlichkeit zu empfangen, ... unterwegs eben.
Brennende Herzen, flammender Grund, Kilometer weit entfernt, dennoch nah im Traum als hörte ich deine Stimme mich rufen, als fühlte ich deine Hand Haut streicheln, als kämst du um die nächste Ecke gerade man vom Einkauf. Nichts gibt es zu planen, doch reichlich zu ahnen, vorausahnend heiter zu genießen, spüre tiefe Sehnsucht nach sinnlicher Zärtlichkeit. Wie Kinder miteinander spielen, gemeinsam Sonne sehen, Präsenz spüren, einen Gang durch den Wald, einen Horizont sanft berühren, in deine Hand eine Rose legen – Unbegrenztheiten (Infinitive) fallen mir ein, finden mich, keine Handlungsanweisungen, Wunschmöglichkeiten – liegt wohl daran, dass wir jeweils beide existentiell Ernsthaftes und Schmerzhaftes längst erlebt und geregelt haben, Zeit also für zarte Spiele miteinander? Statt uns gegenseitig mit Erwartungen zu nerven, miteinander zu feiern, dass es uns gibt? Das wär’s doch mal. Nirgendwohin wollen, wären schon da, wohin wir wollen können. Und dann mal spüren, was daraus als neuer Wunsch erwächst. Mich interessiert, das kann ich schon vorausahnen, dabei weniger ein Mehr. Stattdessen sehr wohl Steigerung von Intensität Nähe. Vertrauen sei Geschenk, bedarf aber bewusster Nährung durch Verzeihen. Wer sich nah kommt, rührt an Wunden. Damit gefühlvoll erwachsen umzugehen, könnte unser beider heilsame Gangart werden. Es gibt so viel zu sein, dagegen kaum was zu tun: beieinander.
Instinktiv betrete ich im November 1974 die „Ruine“ in Berlin, Winterfeldplatz, um dort mich von Grund auf zu riskieren, das heißt, ein existentielles, künstlerisches und esoterisch wissenschaftliches Projekt zu starten. Wer bin ich? Heißt damals wie heute die zentrale Frage. Trunkenbolde und coole Killer warten darauf, von mir, dem sanften Engel mit den goldenen Haaren, auf recht ungewöhnliche Weise bedient zu werden. Keine Chance für mich, auch nur ein Wochenende dort heil zu überstehen , es sei denn höhere Mächte und eigene Achtsamkeit behüten jeden Schritt ins Unbekannte. In diesem Buch wird die innere Geschichte offenbar, in einem anderen Buch „Ruine“ die äußere mitgeteilt.
Absturz-Lokal der Siebziger in Berlin Schöneberg Winterfeldplatz. Unterwelttreff der Gefängnishelden aus Moabit, daher eigene Verhaltensregeln, derart ungewöhnlich, so dass die Polizei die Gaststätte Ruine zeitwelig zur gesetzesfreien Zoner erklärte: Die regeln das alleine, da brauchen wir uns die Hände nicht schmutzig zu machen. Hatte zwischenmenschlich echte existentielle Begegnungen zur Folge. Für mich persönlich der grundlegende Ausstieg aus allem Gewohnten und Vorbereitung zu ganzkörperlich transformierender Therapie und zum farbenfrohen Lebenslauf eines kreativen Künstlers.
Gegenstände abbilden? Nein, weit darüber hinaus, denn was der Gegenstand sei, bestimmt ein Bezugsprogramm des lebenden Betrachters, bestimmt seine gesamte Lebenserfahrung meist bereits als Kind verkommen, seltener als Erwachsener weiterentfaltet. Betrachten wird hier als schöpferischer Vorgang erlebt und dargestellt. Niemand sei einfach so der Welt ausgeliefert, sondern erfährt und erwandert sie gemäß dem Bewusstsein, welches im teilnahmslos mitfühlenden Betrachter zur Blüte kommt. Wirklichkeit als Schein, als Oberfläche wahrzunehmen, indiziert todsicher Wahrnehmungsbehinderung. Wahrhaftigkeit ist Tiefe in Tiefe in Tiefe, ist Höhe in Höhe in Höhe, ohne Ende, ohne Anfang, zeitlos. Sonderbar die Rolle des darstellenden Künstlers: ein Bild aus Linien zu erschaffen. Sonderbar daran sei die Tatsache, dass es in Wirklichkeit keine Linien gibt. Sie sind gedankliche Annahmen, denen draußen nichts entspricht. Das Gehirn verfügt über die Fähigkeit, aus nichtvorhandenen Bedingungen ein Bild zu erzeugen, eine Art Luxus im Universum, welcher bislang nur dem lebendigen Menschen auf einer einzigen Erde zuteilwird. Noch weiter auf den Punkt gebracht, leistet sich das Universum im Menschen den einzigartigen Luxus sich selber zu betrachten. Und das in dem Moment, in dem das anerzogene Ich sich total auflöst. Wie jetzt? Niemand betrachtet Nichtvorhandenes? Und fühlt sich selig dabei?
Von der Wende soll die Rede sein, die mein verträumtes, studentisches Leben von Grund auf veränderte. Sie ereignete sich in meinem Bewusstsein in den Wirren der studentischen Unruhen der Jahre um 1968. Zweierlei Meinungen unterscheide ich seitdem deutlich voneinander: die Ansicht der Herrschenden und die Sehweise der Beherrschten. Ich fühlte mich der zweiten Gruppe zugehörig, da mich Ohnmacht und Hilflosigkeit angesichts der sich überstürzenden Ereignisse ergriffen. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Sehweisen ist der: die überlieferte Sitte, die Norm, die Gesellschaftsordnung stammt von wem auch immer, wie weise auch immer, wie gnadenlos auch immer, mit Sicherheit von anderen.
Existentielles Basislager Berlin : 1.1.1966 – 27.1.1985 Lehr- und Wanderjahre des verwundeten Abenteurers, verwundet schon, bevor er den ersten eigenen Schritt tut. Unschuldig rein betreten wir die Erde. Sogleich umlauert von dunklem Familiengeheimnis, jeder, versucht uns blind zu opfern, es sei denn: wir verweigern, wir enthalten, wir entfalten, was wir geerbt von unseren Vätern wir häuten uns wie eine Zwiebel, um zu entdecken, dass drinnen, ganz tief innen, nichts west, doch hochpotent pulsierend … All-Potenz offen … alle Möglichkeiten offen …