Herbst 1989 in der DDR: In den Städten gehen Tausende Menschen auf die Straße, neue politische Bewegungen und Parteien entstehen, das Politbüro tritt zurück, die Mauer fällt – ein grundlegender Wandel zeichnet sich ab. Diese Ausnahmezeit steht im Zentrum der geheimen Berichterstattung der Staatssicherheit an die Parteiführung im Jahr 1989. Die Dokumente lesen sich wie ein Protokoll der Revolution: Am Anfang geht es um lokale Konflikte wie den Streit um den Bau eines Siliziumwerkes in Dresden-Gittersee, Diskussionen in den Kirchen über ihre innere Zerrissenheit zwischen Staatstreue und politischem Anspruch, die anschwellende Ausreisebewegung und erste öffentliche Proteste, insbesondere im Zusammenhang mit den gefälschten Kommunalwahlen im Mai. Am Ende stehen Großdemonstrationen in den Stadtzentren, ein »millionenfacher Reisestrom« an den »Staatsgrenzen« im November und Besetzungen von Dienststellen der Staatssicherheit kurz vor Weihnachten. Die kommentierte Edition illustriert die ganze Rasanz des politischen Umbruchs in der DDR, sie zeigt den Kontrollverlust einer gelähmten Elite und das neue Selbstbewusstsein einer Bürgerschaft, die sich engagiert, organisiert und am Ende die politische Führung übernimmt. Die Bearbeiter: Dr. Mark Schiefer und Dr. Martin Stief sind wissenschaftliche Mitarbeiter in der Abteilung Kommunikation und Wissen des BStU in Berlin.
Mark Schiefer Boeken


Profiteur der Krise
Staatssicherheit und Planwirtschaft im Chemierevier der DDR 1971–1989
Die Stasi war ein zentraler Bestandteil der Planwirtschaft der DDR. Das Buch untersucht ihre Aktivitäten in den Chemiekombinaten Leuna, Buna und Bitterfeld im Bezirk Halle und beleuchtet die weitreichenden Auswirkungen. Im Laufe der Jahre erlangte die Geheimpolizei der SED ein erhebliches Aufgabenspektrum, das von konspirativen Ermittlungen bei politischen Verdachtsfällen bis hin zu wirtschaftlichem und technischem Controlling bei Anlagenimporten reichte. In der Spätphase der DDR entwickelte sich das MfS von einer Geheimpolizei zu einem umfassenden Kontrollorgan der SED. Der Autor führt diesen Bedeutungszuwachs auf die ökonomischen Schwierigkeiten der DDR seit den 1970er-Jahren zurück und beschreibt die Reaktionen von SED und Wirtschaftsverwaltung. Die Chemiekombinate litten besonders unter der Krise, die sich durch Anlagenverschleiß, Umweltzerstörung und Personalabwanderung äußerte. Um den Zusammenbruch dieser wichtigen Branche hinauszuzögern, wurde der Druck auf Führungskräfte erhöht, Vorschriften verschärft und die DDR für westliche Lizenzen geöffnet. Diese Krisenbewältigung verschaffte dem MfS neue Partner und Überwachungsbereiche. Anhand von Fallbeispielen zeigt die Studie, wie das MfS von den betrieblichen Problemen und den daraus resultierenden Stabilisierungsversuchen profitierte.