Krise, Boykott, Skandal ? drei schillernde Begriffe, denen ein schlechtes Image anhaftet, die aber auch produktive Potenziale freisetzen können. Besondere Strahlkraft entwickeln sie, seit moderne Krisendiskurse schnell wechselnde, zunehmend massenmedial geprägte Umbruchszenarien befeuern. Als punktuelle Entladung lassen sich Skandale einordnen, die in der verdichteten Atmosphäre von Aufführungssituationen auftreten. Solche konzertierten Aktionen sind auch für Boykotte als Manifestationen der Verweigerungshaltung kennzeichnend.0Welche katalysatorischen Möglichkeiten eines Skandals bleiben von den Avantgarde-Bewegungen, wenn seit der Postmoderne ästhetische Provokationen scheinbar unmöglich geworden sind? Inwieweit erlebt der klassische Boykott im Zeichen sozialer Netzwerke eine Transformation zur "Cancel Culture"? Und inwiefern schlagen sich gesellschaftliche Krisenerfahrungen sozioästhetisch nieder?0Solche Narrative des konzertierten Ausnahmezustands werden anhand von Beispielen aus den Darstellenden Künsten, den Informations- und Unterhaltungsmedien, von der Nachkriegsgeschichte bis zur Gegenwart, in wechselnden Konfigurationen betrachtet.0Mit Beiträgen von Randi Becker, Maximilian Kutzner, Irene Lehmann, Anne D. Peiter, Nadja Rothenburger, Anna Schürmer, Sebastian Sommer, Sebastian Stauss, Elfi Vomberg und Christian Wevelsiep
Elfi Vomberg Boeken



Von der Szene in die Forschung
Fans als Citizen Scientists
Nostalgiefilter aus, Forschungsbrille auf: Wenn Fans zu Forschenden werden, sind Grenzüberschreitungen inklusive. Citizen Science ermöglicht diesen Seiten- und Perspektivwechsel, der sowohl in der Wissenschaft als auch in der Bürger: innenschaft zu einem produktiven Wissens- und Erfahrungsaustausch führt. Unter dem Titel #KultOrtDUS arbeiten Medien- und Kulturwissenschaftler der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gemeinsam mit Bürger: innen an dem Aufbau eines Archivs der Medienkulturgeschichte Düsseldorfs. Düsseldorf als Zentrum von Punkmusik, New Wave und Aktionskunst fungiert dabei als urbanen Forschungsfeld, auf dem die Disziplin der "Citizen Science" wissenschaftspraktisch ausprobiert wird. Die Publikation fasst erste Ergebnisse dieses Forschungsprojekts zusammen, indem sie sich auf die Spurensuche zwischen Fans, Prosumer: innen, Bürger: innen und Urban Legends begibt und Perspektiven der Citizen Science- an die Fanforschung anknüpft. Den wissenschaftlichen Meta-Diskurs begleitet ein illustrativ-experimenteller Ansatz, der das kreative Potenzial aus der Forschung im Umfeld von Citizen Science sichtbar macht.
Seine Anhänger reisen nicht, sie pilgern – und nennen sich nicht einfach , Fans‘ sondern , Wagnerianer‘. Die mythisch-überhöhte Huldigung Richard Wagners ist ein Phänomen, das von Beginn an den Diskurs über den deutschen Komponisten bestimmt. Das globale Potenzial dieser besonderen Kultur der Wagner-Verehrung spiegelt sich bis heute im „Richard-Wagner- Verband International“ wider. Weltweit sind 23 000 Mitglieder in 137 Ortsvereinen organisiert. Kein anderer Komponist sammelt eine so große Schar Anhänger um sich. Die Studie „Wagner-Vereine und Wagnerianer heute“ zeichnet ein genaueres Bild des Wagner-Fans nach, der auch im 21. Jahrhundert noch eine Kultur der Verehrung und Mystifizierung fördert – sei es in Wellington, Tokyo, New York oder Bayreuth. In einer empirischen Untersuchung wird das Phänomen der organisierten Wagner-Begeisterung im internationalen Vergleich in den Blick genommen und anhand von Milieustudien, Szene- und Fantheorien aus der Soziologie sowie diskursanalytischen Verfahren erforscht, warum auch fast 200 Jahre nach Wagners Wirken die Pflege seiner Kunstwerke immer noch eine so große gesellschaftliche Relevanz hat.