Von "Wirtschaftsflüchtlingen" und "Willkommenskultur"
Fluchtberichterstattung abseits des Politikressorts
Im Jahr 2015 rückten Hunderttausende geflüchtete Menschen in den deutschen Medien in den Fokus und beleuchteten das Thema Flucht aus einer neuen Perspektive. Angesichts der vielzitierten „Willkommenskultur“ stellt sich die Frage, ob es neben der ereigniszentrierten Politikberichterstattung auch wirtschafts- und kulturjournalistische Ansätze gibt. Diese Untersuchung bietet eine quantitative und qualitative Analyse von etwa 300 Artikeln aus den Wirtschafts- und Kulturressorts der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung zwischen 2015 und 2016. Eine umfassende Literatursichtung bisheriger Erkenntnisse wird den normativen Ansprüchen des Friedensjournalismus gegenübergestellt. Mithilfe einer entwickelten Analyseheuristik werden sowohl defizitäre als auch humanitäre Aspekte der Berichterstattung über Flucht identifiziert. Im Wirtschaftsressort werden Geflüchtete häufig als Belastung dargestellt, während das Kulturressort Platz für empathische Berichterstattung bietet, die die humanitäre Dimension betont. In beiden Ressorts wird jedoch mehr über als mit Geflüchteten gesprochen, Fluchtursachen werden nur oberflächlich behandelt und Lösungsansätze selten diskutiert. Die Studie beleuchtet die Fluchtberichterstattung abseits des Politikressorts und thematisiert den Spannungsbogen zwischen journalistischem Anspruch und der Realität.