In den langen Wochen haben wir gemeinsam ein Haus mit Worten gebaut, wir haben ein Vaterland mit Worten gebaut und Frauen mit Worten. - In einem heruntergekommenen Wüstenlazarett erzählt ein Mann am Bett seines verwundeten Freundes gegen dessen Tod an. Er erzählt, um nicht zu verzweifeln und um nicht zu vergessen. Im Mosaik zahlreicher Lebensläufe von dem Krieg im Jahr 1948 bis weit in die 90er Jahre erkennt man auch das Portrait einer Stadt: Beirut. Elias Khoury durchleuchtet den palästinensisch- israelischen Konflikt mit Mut und Weitsicht. Ihm gelingt es, Krieg, Zerstörung und Leid auf die Geschichten von Menschen zurückzuführen, die ineinandergreifen und jede simple Schuldzuweisung unmöglich machen.
Ilyās Ḫūrī Boeken





Elias Khoury ist einer der tonangebenden Schriftsteller und Intellektuellen der arabischen Welt. Welche Geschichten, fragen seine Bücher, sind ans Licht zu holen, wenn es um die Entstehung des palästinensisch-israelischen Konflikts geht? Mit welchem Gebirge aus Leid, Schmerz und Gewalt muß es eine „Friedensordnung“ für den Nahen Osten aufnehmen? Khourys neuer Roman führt zurück in die 1940er Jahre, die Zeit vor der palästinensischen Niederlage und der Gründung des Staates Israel. Er erzählt von der Liebe zwischen dem Palästinenser Mansur und der „traumbegabten“ Libanesin Milia. Nach der Heirat ziehen die beiden nach Nazareth. Als Mansurs Bruder Amin, der gegen die jüdische Einwanderung gekämpft hat, getötet wird, muß Mansur seine Rolle übernehmen. Milia hat Angst, Angst um ihn, Angst um ihr Kind. Sie ist schwanger. Bei der Geburt am 24. Dezember 1947 stirbt sie, indem sie aus ihrem letzten Traum nicht mehr erwacht – ein Traum, der sie noch sehen läßt, wie Mansur mit dem Säugling aus dem brennenden Jaffa auf ein griechisches Schiff flieht.
Elias Khourys Romane verbinden Welt und Fantasie, indem sie Bilder montieren und die Menschen als Träger der politischen und gesellschaftlichen Geschichte des Libanon darstellen. Das Geheimnis umfasst sowohl das Verborgene als auch das Bekannte, da es für einige verborgen bleibt, während es anderen bekannt ist. In einem Beiruter Stadtviertel wird ein Gemüsehändler tot aufgefunden, und seine Geliebte, halbnackt im Schrank, alarmiert die Nachbarn mit ihrem Geschrei. Dieser dramatische Auftakt entfaltet eine Welle von Vermutungen und Spekulationen: Wer ist für den Tod des Händlers verantwortlich? Viele haben ein Motiv, darunter die Geliebte, die von einem versteckten Schatz wusste, und ein weiterer Liebhaber, der als Drogendealer bekannt ist. Vielleicht hat auch der Kummer über den Tod seiner Tante, mit der er zusammenlebte, ihn überwältigt. In seiner typischen, ironischen Erzählweise schildert Khoury das rätselhafte Ereignis aus verschiedenen Perspektiven. Ein mysteriöser Brief aus Südamerika spielt eine zentrale Rolle und verknüpft Themen wie Fremdsein, Erinnern, Krieg, Vergessen, Auswanderung, Sehnsucht und Tod, die sich wie die Fäden eines orientalischen Teppichs miteinander verweben.
Yalo
Roman
So wie für Lawrence Durrell das alte Alexandria die Hauptstadt der Erinnerung war, ist für Elias Khoury das wiederaufgebaute Beirut die Hauptstadt der Amnesie. Yalo, der aus einer christlich-syrianischen Familie stammt, wächst in Beirut auf. Jung gerät er in eine der Milizen des Krieges. Nach dessen Ende wird er Wächter eines Waffenhändlers. In den Hügeln außerhalb Beiruts überfällt er nächtens Liebespaare, raubt und vergewaltigt – und verliebt sich in eines seiner Opfer, Shirin. Sie zeigt ihn an. Er wird festgenommen und gefoltert. Man zwingt ihn, sein Leben aufzuschreiben, immer neu, denn nie sind die Folterer zufrieden – selbst wenn er zugibt und ausmalt, was er gar nicht getan hat. So gerät Yalo außer sich. Im Schmerz trennt er sich von seinem Körper und erfindet sich im Geist. Mit jeder neuen Fassung verändert sich die Beschreibung, sie reichert sich an, sie franst aus, verschmutzt, färbt sich, oszilliert, sie nimmt ein Sprach- und Eigenleben an: Yalo – ein libanesisches Leben in Zeiten des Kriegs und Nachkriegs. Elias Khourys sprachmächtiger Roman erzeugt – mitreißend und erkenntnisstiftend zugleich – einen Taumel.