Seit der 6. Dynastie bis in die ptolemäisch-römische Zeit wurden im Alten Ägypten Rituale gegen als feindlich empfundene Entitäten durchgeführt. Diese umfassten Rebellen, ausländische Herrscher, sowie mythologische Wesen und gefährliche Tiere. Ein zentrales Element dieser Rituale waren handgroße Figuren in Form gefesselter Gefangener, die als Ächtungsfiguren bezeichnet werden. Diese Figuren repräsentierten die Feinde und waren mit deren Namen und weiteren feindlichen Begriffen beschriftet, was in Ächtungslisten dokumentiert wurde. Carina Kühne-Wespi untersucht erstmals die Ächtungsfiguren und -listen als eigenständiges Phänomen. Sie analysiert die Materialität der Figuren, deren Herstellung, Entwicklung und Gestaltungsprinzipien sowie die Inhalte, Strukturen und Veränderungen der Ächtungslisten. Dabei werden Befunde aus dem Alten, Mittleren und Neuen Reich sowie späterer Zeit berücksichtigt. Diese umfassende Perspektive zeigt die Verbindungen zu den Fremdvölkerlisten auf und belegt eine verbreitete Praxis der Herstellung von Ächtungsfiguren mittels Stempeln, die bisher unerkannt geblieben war.
Carina Kühne-Wespi Volgorde van de boeken


- 2023
- 2019
Schrifttragende Artefakte sind einer Vielzahl von Praktiken ausgesetzt, durch die sie in der einen oder anderen Form beschädigt werden. Dabei können die Absichten, Hintergründe und Kontexte dieser Praktiken stark variieren, sodass durch die Zeiten hindurch in verschiedenen kulturellen Kontexten, Situationen und Diskursen vielfältige Ausprägungen zu beobachten sind. Solche Fälle sind keineswegs darauf beschränkt, Missbilligung gegenüber Inhalten oder Autoren auszudrücken oder das Andenken an Personen auszulöschen. Anhand von detailliert aufgearbeiteten Fallbeispielen, die vom antiken Ägypten, Mesopotamien und dem Mittelmeerraum über das alte China, das europäische Mittelalter und die Neuzeit sowie islamische Traditionen bis zum heutigen Bali reichen, werden verschiedene Facetten der unterschiedlichen Praktiken und ihrer Motivationen erarbeitet und eine übergreifende Systematik entwickelt. Ziel ist es, eine an praxeologischen Kriterien orientierte Phänomenologie von Schriftzerstörung aufzustellen. Das Hauptaugenmerk liegt auf Praktiken in non-typographischen Gesellschaften, also in Kulturen, in denen Schriftdokumente nicht mittels Buchdruck und vergleichbaren Verfahren fast beliebig vervielfältigt, sondern von Hand einzeln angefertigt wurden.