Götz Wienold Boeken






Stille und Bewegung
Semiotische Studien aus Japan
Himmlers Fischteiche
Zwei Stücke
Hasardeure
Zwei Stücke
Wittgenstein in Cassino. Trakls Tod
Zwei Stücke
Ludwig Wittgenstein ist zu Beginn des Ersten Weltkriegs Kanonier, Georg Trakl Sanitäter. Trakl hält Kriegserlebnissen nicht stand und ist hospitalisiert, an der verbotenen Liebe zur Schwester ist er gescheitert. Wittgenstein, seiner Homosexualität noch unsicher, sehnt sich nach David Pinsent im fernen England. Er will Trakl treffen, kommt aber zu spät, um ihn vom Freitod zu retten. Geschwisterliebe und Liebe zum gleichen Geschlecht, gleichermaßen sozialer Unterdrückung ausgesetzt, überkreuzen sich in Trakls Tod. Wittgenstein in Cassino sieht ihn als Gefangenen nach Kriegsende. Er hat den Weg, seine sexuelle Orientierung zu leben, gefunden, wie den zum Tractatus und zur Besitzlosigkeit. Er bekennt, lieber wolle er sich töten lassen, als einen anderen töten. Ethisches lässt sich nicht in Sätzen aussagen, sondern „zeigt sich“ im Handeln selbst. Der Kampf für die Freiheit der Sexualitäten und die Verurteilung des Tötens finden zusammen.
Meine Mutter, die Spinne
Erzählungen
Charaktere, wie sie im 17. Jahrhundert Thomas Overbury beschrieb, werden neu gedacht. Figuren entwickeln intensive Projektionen und Fixierungen: Ein Mann erkennt in einer Spinne seine tote Mutter, ein Junge erlebt, von glatt polierten Glatzen älterer Männer angezogen, seine Sexualität. Neben solchen biographischen Szenen stehen Skizzen bemitleidenswerter Figuren in ausweglosen Situationen: Der Gedankenleser glaubt, das Gegenüber zu ergründen, und wird, ohne es zu verstehen, selbst Objekt eines Angriffs des Gedankenlesens. Es geht um Lebensentwürfe, die gelingen oder fehlschlagen: Des Plagiats bezichtigt, legt die Doktorandin ihren Doktorvater herein, die Volontärin liest die Konstellationen in ihrer Firma falsch und muss gehen. Schließlich eine Hommage an Heinrich Mann, der die Zeichen seiner Zeit besser als andere las, er flieht vor den Nazis ins Exil nach Frankreich.
Ein älterer Homosexueller, mit seinen Gefühlen an zwei junge Männer gebunden, wird unwillentlich Mitwisser von Verbrechen. Trotz der allmählichen Demokratisierung Europas nach der französischen Revolution und den Kriegen des 20. Jahrhunderts ist eine starke, verehrende Anhänglichkeit ans Royale verblieben. Diese wird versinnbildlicht in Megaprazon – ein Staat, unauffindbar im Mitteleuropa des 21. Jahrhunderts, sein fiktiver Name Goethes Fragment „Reise der Söhne Megaprazons“ entliehen. Ein Jahrmarkt der Eingebildetheit, in dem vor der Heirat des Prinzen Xenon ein dubioser Junggesellenabschied stattfindet. Dieser wird ermordet, drei Jahre später sein Vater. Athanasius, Privatlehrer Xenons und, nach dessen Tod, seines Bruders Zirkon, besitzt, ohne das zu wissen, den Schlüssel zu diesem Verbrechen. Obwohl Antimonarchist, ist er Schmarotzer des schalen Glamours der Prinzen, schwul, mit seinen Gefühlen an beide gebunden. Erst spät wird er sich seiner Komplizenschaft bewusst. Die homoerotische Bindung behält bis zuletzt die Überhand. Sein letzter Satz: „Ich wünschte, ‚König‘ würde ein schlechtes Wort.“
Tierheim Hohntorn
Volksstück
Eine Elektra, die beginnt, wo frühere aufhören. Wie bei Wienolds Grab des Euripides steht der griechische Dichter Pate bei Tierheim Hohntorn, dieses Mal mit seiner verlorenen Hypsipyle. Tiere in der Gesellschaft und eine Elektra, die beginnt, wo andere enden. Elke Klüters hat mit dem Bruder Mutter und Liebhaber getötet. Doch hier muss die Schwester sühnen und verliert die Kinder, die sie vom Liebhaber der Mutter hat. Elke ist ganz aus der heutigen Welt, ihre Geschichte ist ohne Rückgriff auf Vergangenes verständlich. Aus dem Gefängnis entlassen, findet Elke Arbeit in einem Kinderheim. Als sie bei einem Unfall hilft und dadurch ein Kind, auf das sie hätte achthaben sollen, zu Schaden kommt, verliert sie ihre Stelle, Unterkunft und soziale Unterstützung. Sie kommt ins Tierheim Hohntorn. Im Schicksal vernachlässigter Tiere spiegelt sich das Schicksal von Menschen, die mit dem Leben schlecht zurechtkommen: Menschen im Gefängnis, Häftlinge auf Bewährung, im Alltag Weggeschobene, den Karrierezwang Ablehnende. Tiere, die man nicht mehr will, und Menschen am Rande der Gesellschaft, die sie zu retten suchen.
Unter Hagenauers ist ein Parallelroman zu Wienolds Manona. Hagenauers haben das Schicksal der Fokusfigur Markus Piloty mitbestimmt. Sein Fall löst sich mit dem Zusammenbruch der Familie und ihres Inzests. Ein 19-Jähriger fühlt sich durch ein viel jüngeres Mädchen angezogen und wird in einen double bind verstrickt. Scheinbar zufällig zieht Sophie Hagenauer Martin in ihre Familie hinein, tatsächlich wollen ihre Großeltern ihn sich dienstbar machen. Er gerät unter die Lasten der Verbrechen der Nazizeit, deren Vertuschung in der Bundesrepublik und einer inszestuösen Familie, die bereit ist, bis zum Mord zu gehen. Dabei ist Unter Hagenauers auch ein Zeitroman; Ereignisse wie die Flucht von Bürgern der DDR in die deutsche Botschaft in Prag und ihre Ausreise oder die Eröffnung der neuen Brücke über die Elbe bei Torgau 1993, wo bei Kriegsende sowjetische und US-amerikanische Soldaten in symbolischer Weise aufeinander trafen, spielen in ihn hinein. In raschem Tempo und aus Martins Perspektive erzählt, zeichnet der Roman eine äußere Welt, die immer wieder von der inneren der Fokusfigur überflutet wird.