Dieter Boris Boeken






In der Phase neoliberaler Globalisierung hat das Verhältnis von Metropolen und Peripherien eine neue Akzentuierung erfahren. Die Differenzierungsprozesse zwischen den sogenannten Schwellen- und den am wenigsten entwickelten Ländern der 'Dritten Welt', aber auch innerhalb ihrer Territorien haben sich beschleunigt. Die von Propagandisten der neoliberalen Globalisierung versprochenen Aufholprozesse und erhöhten Chancen der Länder der 'Dritten Welt' sind bislang nur in sehr wenigen Fällen sichtbar geworden. Die Mehrheit der Peripherieländer ist weiter zurückgefallen und selbst die fortgeschrittenen Schwellenländer (wie z. B. in Ostasien und in Lateinamerika) mussten infolge schwerer Finanz- und Währungskrise zeitweise oder dauerhaft Rückschläge im Entwicklungsprozess hinnehmen. Dieter Boris analysiert auch am Beispiel bestimmter Regionen (vor allem Lateinamerika) und einzelner Länder (vor allem Mexiko und Argentinien) die internen ökonomischen und sozialstrukturellen Verhältnisse, die in den meisten Fällen nur eine subordinierte und passive Anpassung an vorgebliche unabweisbare Weltmarktzwänge zuließen.
In Mexiko wurde die historische Periode, die mit der mexikanischen Revolution im Jahre 1910 begann, am 2. Juli 2000 abgeschlossen. Der Sieg des konservativen Vicente Fox bei den Präsidentschaftswahlen stellt ein historische Zäsur dar, welche den wirtschaftlichen und politischen Sonderweg Mexikos beendete. Damit wurde auch die langlebigste Statatspartei der Welt, die 'Partei der Institutionellen Revolution' von den Schalthebeln der Macht verdrängt. Den Schwerpunkt der Untersuchung bilden der Umbruch in Politik und Wirtschaft, der unter den letzten PRI-Präsidenten eingeleitet und unter Präsident Vicente Fox weitergetrieben wird. Ursachen, Verlaufsformen, Träger und Opponenten dieses für Mexiko epochalen Vorgangs werden eingehend analysiert.
Ein aktueller Gesamtüberblick über 'Soziale Bewegungen in Lateinamerika' fehlt seit langem, und auch im 'Medieninteresse' stehen in der Regel Analysen von sozialstrukturellen Verhältnissen und Entwicklungstendenzen weit im Hintergrund. Dieter Boris' Analysen dagegen machen deutlich, daß die durch alltägliche Erfahrungen und Lernprozesse sich ausdehnenden 'Bewegungen von unten' zeitweise oder sogar relativ dauerhaft einen beträchtlichen Einfluß in der jeweiligen Gesellschaft und auf die 'große Politik' ausüben können. Somit unternimmt der Band auch eine Korrektur von gängigen allgemeinen Darstellungen zu Lateinamerika, die sich auf ökonomische und politische 'Großereignisse' oder 'Paradigmen' konzentrieren. Im Unterschied hierzu sollen die relativ 'unsichtbaren', teilweise 'stimmlosen' Gruppierungen und Strömungen, die in der Regel aus verschiedenen Segmenten von Unterschichten oder Unterprivilegierten stammen, sichtbar gemacht und in ihrem spezifischen Profil skizziert werden. Zugleich ist das Buch gedacht als Einführung in zentrale gesellschaftliche und politische Probleme Lateinamerikas.
Es ist seit rund zwei Jahren unübersehbar, dass die Linksregierungen in Lateinamerika in die Defensive geraten und – in unterschiedlichem Ausmaß – mit Popularitätsverlusten, Massenprotesten, ökonomisch-sozialen Problemen sowie mit verengten Verteilungs- und Handlungsspielräumen konfrontiert sind. Mit der Protestwelle vom Juni/Juli 2013 in Brasilien und dem Tod von Hugo Chávez im März 2013 waren markante Wendepunkte erreicht. Manche Kommentatoren und politischen Akteure sprechen vom Anfang des Endes der Linksregierungen oder vom ›Auslaufen eines (progressiven) Zyklus‹ (G. Almeyra). Andere lehnen diese Sichtweise ab, und einige Autoren meinen sogar, dass derartig pessimistische Einschätzungen der rechten Opposition zuarbeiten könnten. Seit einigen Monaten wird in lateinamerikanischen Zeitschriften und digitalen Medien darüber eine heftige Debatte geführt.
Spektakuläre neue politisch-ökonomische Modelle hat derzeit Lateinamerika zu bieten. In einer ganzen Reihe von Ländern – so in Venezuela, Bolivien und Ecuador, aber auch in Brasilien, Argentinien oder Uruguay – haben linke Regierungen wichtige progressive gesellschaftliche Veränderungen bewerkstelligen können. Dieter Boris bietet den ersten Gesamtüberblick über diesen kontinentalen Linkstrend. Bei diesem handelt es sich um eine einmalige historische Konstellation, die es in Lateinamerika seit der politischen Unabhängigkeit vor circa 200 Jahren noch nie gegeben hat: So viele und so lange regierende Linksadministrationen, die schon jetzt Wesentliches bewegen und zum Besseren verändern konnten. Und dies in einem internationalen Kontext, in welchem – trotz der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008ff. – immer noch nahezu ungebrochen neoliberale Prinzipien und politische Praktiken im 'Rest der Welt' tonangebend sind.