Kritik an – heute wirksamen – Umdeutungen der despotischen NS-Herrschaft bildet den roten Faden der Untersuchung. Dazu gehört die Verwandlung des Hitlerregimes in einen Rechtsstaat und die Entpolitisierung der beamteten Funktionseliten der Diktatur. Die Auswirkungen der weitgehenden Übernahme des Justizapparats des Dritten Reiches werden sichtbar – wie die vielfache Auflösung des Täterbegriffs für nationalsozialistische Massenverbrechen.
Die Beiträge dieses Bands stehen in der Tradition der Bekennenden Kirche. Ihre weltkritische Perspektive wird für die Gegenwart fruchtbar gemacht. In Portraits von Dietrich Bonhoeffer, Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Robert Raphael Geis und anderen wird diese Blickrichtung ebenso verfolgt wie in kirchengeschichtlichen Studien und Interpretationen des Alten und Neuen Testaments. Sie alle eint die Auseinandersetzung mit dem «Fürst dieser Welt» (Joh. 12,31).
Beiträge zur Geschichte und Theorie der Arbeiterbewegung
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Die Befreiung aus gesellschaftlicher Unmündigkeit ist das Ziel der demokratischen Arbeiterbewegung. Diese Perspektive verbindet die Beiträge dieses Buches. Die Kritik am Kapitalismus, am Stalinismus und an der neo-liberalen Ideologie bildet den Interpretationsrahmen. Die mit dem Denken von Marx verbundene Tradition wird nicht unkritisch vergegenwärtigt. Aber der Satz von Marx, «alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist», behält richtungsgebende Bedeutung.
Alles andere als eine Erfolgsgeschichte des Rechtsstaats Während Opfer der NS-Militärjustiz jahrzehntelang um ihre Rehabilitierung kämpfen mussten, machten ehemalige Wehrmachtjuristen wie Richard Börker, Hans Filbinger, Ernst Mantel und Erich Schwinge in der Bundesrepublik eine zweite Karriere als Richter, Staatsanwälte, Beamte oder Dozenten. Renommierte Historiker und Juristen rücken die Folgen der personellen Kontinuitäten für die demokratische Rechtsordnung und die Aufarbeitung der NS-Verbrechen ins Bewusststein: Die Amnestie von Schreibtischtätern wurde durchgesetzt, Verfahren wegen Justizverbrechen endeten mit Freisprüchen oder wurden eingestellt. Selbst-entlastungen früherer Kriegsrichter stützten die Legende von der »sauberen« Wehr-macht, eingeschlossen die Wehrmachtjustiz. Der politische Widerstand gegen Hitler, der vor allem auf die Wiederherstellung der Geltung des Rechts gerichtet war, da-gegen galt z. B. 1956 noch immer als strafrechtlich zu ahndendes Verbrechen. Erst über 50 Jahre nach Kriegsende hob der demokratische Gesetzgeber in mehreren Anläufen – zuletzt mit der Annullierung der Norm des Kriegsverrats – sämtliche Unrechtsurteile des Hitler-Regimes auf und gab den Opfern damit ihre Würde zurück. Hoch aktuell ist die differenzierte Auseinandersetzung mit Überlegungen zur Wieder-einführung einer Militärjustiz in der Bundesrepublik.
Die Beiträge des Bandes sind dem Rechtsbegriff der Aufklärung, der in den modernen Verfassungen seinen Niederschlag gefunden hat, verpflichtet. Methodisch orientieren sich die Arbeiten an den juristischen Autoren der sozialdemokratischen Emigration in den Vereinigten Staaten während der NS-Diktatur. Die Verbindung einer normimmanenten und historisch-soziologischen Vorgehensweise ist auch für die Analyse rechtsstaatlich-demokratischer Systeme erhellend. Die exekutivstaatliche Beseitigung von Grundrechtspositionen ist die negative Folie der Studien. Die Exegese demokratisch konstituierter Normen steht im Vordergrund. Analysiert werden insbesondere die Garantie der Menschenwürde, die Bedeutung des Gleichheitssatzes, die Gewissensfreiheit, die Wissenschaftsfreiheit, die Bewahrung der Natur, die Prinzipien der Ahndung von NS-Verbrechen, der Umgang mit völkerrechtswidrigem Staatshandeln und Problem einer Rechtslehre des aufrechten Gangs. Zugleich werden Fragen einer verfassungsrechtlich legitimierten Umgestaltung der privatwirtschaftlichen Ordnung, deren Krisenanfälligkeit vor aller Augen liegt, erörtert. Ohne das Denken und Handeln Einzelner bleibt Recht ein toter Buchstabe. Dies zeigen Portraits kritischer Rechtswissenschaftler der Weimarer Republik, der NS-Zeit und der Bundesrepublik – von Gustav Radbruch über Franz L. Neumann bis Fritz Bauer. In einer rechtsstaatlichen Demokratie haben sie eine Orientierungsfunktion.