Während der Begriff Expressionismus in der Kunst eine Strömung bezeichnet, die man auf den Zeitraum von etwa 1905 bis 1925 begrenzt, muss HeinrichVogeler noch in den 1930er Jahren in der Sowjetunion erkennen, dass er mit seiner Simultanmalerei - den in diesem Buch vollständig wiedergegebenen Komplexbildern - "an expressionistischen Formen hängengeblieben" ist. In der Tat ist die Form dieser Darstellungen ein Überbleibsel seines Expressionismus der Nachkriegsjahre. Vogelers Glaube war aber gewesen, mit seinen aus vielen realistischen Szenen aufgebauten Komplexbildern eine ganz neue, aus den sozialistischen Realitäten sich ergebende Bildsprache gefunden zu haben. Seinen Anspruch, quasi im Alleingang das Epochenproblem Sowjetkunst gelöst zu haben, hat er nach einigem Zögern auch öffentlich vertreten angesichts einer Sowjetkunst, die sich in die Sackgasse bürgerlich-realistischer Kunsttechniken des 19. Jahrhunderts verirrt. Dieses Buch beginnt dort, wo Vogeler sich gezwungen sieht, sozusagen gegen den Rest der Welt Einspruch zu erheben - bei seinem Friedensappell an den deutschenKaiser im Januar 1918. Ein reich bebildertes Buch über den Lebensweg und die Kunst des Heinrich Vogeler nach seinem Abschied vom Bürgertum.
Bernd Stenzig Boeken





Das Märchen vom lieben Gott
Heinrich Vogelers Friedensappell an den Kaiser im Januar 1918
Das Märchen vom lieben Gott
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Der Friedensappell des Worpsweder Malers Heinrich Vogeler (1872-1942) an Kaiser Wilhelm II. – später als „Das Märchen vom lieben Gott – Brief eines Unteroffiziers an den Kaiser im Januar 1918 als Protest gegen den Frieden von Brest-Litowsk“ bekannt – zählt zu den bedeutendsten deutschen Künstlerschriften des 20. Jahrhunderts. Neben diesem berühmten Kaiserbrief ist auch Vogelers Brief an die Oberste Heeresleitung bekannt, der die Kritik an der deutschen Politik noch deutlicher formuliert. In seinen Briefen prangert Vogeler die Heuchelei einer Politik an, die einen Verteidigungskrieg versprochen hat, aber einen Eroberungskrieg führt und sich dabei auf das Christentum beruft. Er fordert den Kaiser zur Umkehr und zu einem ehrlichen Frieden auf, der nicht den Keim eines neuen Krieges in sich trägt. Mit seinem Appell setzt Vogeler, der als Unteroffizier im Ersten Weltkrieg dient, sein Leben aufs Spiel und wird schließlich ins „Irrenhaus“ eingewiesen, was ihm jedoch glimpflich ergeht. Sein Friedensappell vom 20. Januar 1918, der ihm eine neue Lebensrichtung gibt, ist ein Beispiel moralischer Größe, auch wenn seine Tat illusionär erscheinen mag. Die Deutsche UNESCO-Kommission würdigt sein Handeln als kühnes Friedensvorhaben, das auch heutige Generationen beeindruckt. Das Buch beleuchtet die Umstände und Folgen von Vogelers Friedensappell in Deutschland und später in der Sowjetunion nach seiner Übersiedlung im Juni 1931.