Helge Heinz Heinker Boeken






Mit seiner Berufung in das Kabinett der Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Wolfgang Tiefensee im Herbst 2005 den vorläufigen Höhepunkt einer außergewöhnlichen Karriere erreicht. Woher kommt der Mann, der schon seit Jahren als Geheimtipp der großen Politik gilt und es sich leistete, den bereits 2002 erfolgten Ruf nach Berlin souverän zurückzuweisen? Was treibt ihn an, der mit Porsche, BMW und DHL einige der größten Investitionen Deutschlands ausgerechnet nach Leipzig geholt hat - und der dennoch nicht verhindern konnte, daß die Arbeitslosigkeit hier bei schockierenden 20 Prozent liegt? Und wohin strebt er, der erst Ingenieur, dann Bildungspolitiker und schließlich sieben Jahre lang Oberbürgermeister von Leipzig war - und von dem Insider ganz sicher sind, dass das Amt des Bundesverkehrsministers gewiß nicht die Endstation seiner Karriere darstellen wird?
Als am 4. Dezember 1915 der Schlußstein des Leipziger Hauptbahnhofs gesetzt wurde, war ein einzigartiges Monument der Architektur entstanden, das seitdem wie kaum ein anderes Bauwerk die Identität der Stadt mitgeprägt hat. Bis heute ist die Faszination ungebrochen, die auf jeden Reisenden und Besucher ausstrahlt. In seiner reich illustrierten Darstellung gibt Helge-Heinz Heinker eine umfassende Kulturgeschichte dieses Meisterwerkes der Ingenieurbaukunst. 160 großformatige Abbildungen, von denen viele hier zum ersten Mal publiziert werden, halten die ganz besondere Atmosphäre dieses ganz besonderen Bahnhofs fest.
Leipzig ist jederzeit eine Betrachtung wert, erst recht, wenn es um die ehrgeizigen Pläne des Olympiakandidaten geht. Wie kaum einer anderen ostdeutschen Stadt ist es Leipzig gelungen, zu ihrem ursprünglichen internationalen Klang als Kultur- und Handelsplatz zurückzufinden. Faszinierende Namen und Bilder schweben über der sächsischen Metropole: Bach, Mendelssohn-Bartholdy, Gewandhaus; Messeplatz; Medienstandort. Nur die wirtschaftliche Entwicklung seit 1989 war eine Achterbahnfahrt: Totalabwicklung aller Wirtschaftsbetriebe; das zögerliche Aufkeimen einer ortsansässigen Kaufmannschaft; das Wagnis von Großobjekten wie Flughafen, Neue Messe und Citytunnel bis zur Neuansiedlung großer Konzerne wie Siemens, BMW und Porsche. Mit der Entscheidung des IOC für Leipzig als Olympiastadt würden noch bestehende Dämme für die Standortentwicklung gebrochen, würde Leipzig wieder in den Kreis der großen europäischen Städte aufsteigen. Heinkers Buch gelingt der Spagat, neben der allgemeinen Kultur- und Mentalitätsgeschichte der Stadt, geschöpft aus ihrer eindrucksvollen Historie, die prägenden wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten 15 Jahre kritisch nachzuzeichnen. Ein Buch für jeden Leipzigkenner und -bekenner, aber auch ein Buch für jene, die einst die Stadt verließen und sich ihrer heute in Melancholie oder mit Skepsis erinnern.