Wer in der politischen Debatte bestimmte Schlüsselbegriffe verwendet, markiert damit seine Position; er zeigt, welche Normen von Politik und Gesellschaft er für wesentlich hält. Das ist heute nicht anders als in der Vormoderne, um deren politische Sprache es in diesem Band geht. In drei Fallstudien zur Schweizer Eidgenossenschaft, zu Schleswig-Holstein-Gottorf sowie zu Bayern und Kleve-Mark im Vergleich wird die politische Kommunikation des 16./17. Jahrhunderts untersucht. Welche Schlüsselbegriffe wurden als Argument in Konfliktsituationen verwendet? Welches Selbstverständnis der politischen Akteure - Bauern, städtische Magistrate, Landstände, Fürsten - ist anhand der Schlüsselbegriffe erkennbar? Welche Bedeutung für die großen Entwicklungslinien politischer Kultur hat es, wenn bestimmte Begriffe im Lauf der Zeit immer mehr hervor- oder zurücktraten?
Welche Normen prägten die politische Kultur - die alltäglichen, selbstverständlichen Vorstellungen von Herrschaft und Politik - eines mittelgroßen Territoriums im römisch-deutschen Reich des 17. Jahrhunderts? Diese Ausgangsfrage der vorliegenden Studie knüpft an die Debatte um den »Absolutismus« an. Um sie zu beantworten, werden die Argumente untersucht, die Fürst und Landstände in den kleve-märkischen Steuerkonflikten des 17. Jahrhunderts vorbrachten. Gemeinwohl, Einigkeit, necessitas - insgesamt gut ein Dutzend Begriffe mit meist hohem normativen Gehalt wurden in diesen Auseinandersetzungen verwendet. Fürst und Stände gebrauchten diese Argumente zum Teil unterschiedlich und stritten um die Deutungshoheit von Begriffen: sichtbar werden auch Veränderungen im Ensemble der Argumente. Die Betrachtung der argumentativen Praxis in Kleve-Mark wird ergänzt um die Untersuchung gängiger Herrschaftslehren des 16./17. Jahrhunderts auf normative Begriffe hin. Sie weisen erhebliche Übereinstimmung mit den Argumenten auf, die in der kleve-märkischen Politik verwendet wurden; zugleich zeigt sich, daß die Stände in den obrigkeitszentrierten Herrschaftslehren zu kurz kamen. Über ihren Anteil an der deutschen politischen Kultur der frühen Neuzeit gibt die Untersuchung des politischen Alltags besseren Aufschluß. In diesem politischen Alltag in Kleve-Mark verband bis weit in das 17. Jahrhundert hinein Landesherr und Stände ein gemeinsamer Grundbestand politischer Normen. Diese Normen entsprachen einer politischen Kultur, die von personaler Herrschft, fürstlich-ständischer Gegenseitigkeit und Konsensstreben geprägt war. Trotz der politisch-militären Krisen, die Kleve-Mark von etwa 1570 bis um 1700 prägten, erwies sich die traditionelle Politikkultur als erstaunlich beständig; doch erlaubt der argumentationsgeschichtliche Befund es auch, einen langsamen Wandel differenziert nachzuvollziehen: Namentlich das Element der Gegenseitigkeit politischer Beziehung trat zugunsten der fürstlichen Prärogative zurück.
Die estnische Insel Oesel (Saaremaa) war von 1559 bis 1645 der ostlichste Teil der Oldenburgermonarchie, die ausser dem Hauptland Danemark weit voneinander entfernte Gebiete Nordeuropas umfasste. Was bedeutete es fur Ritterschaft, Burger und Bauern auf Oesel, mit dem danischen Konig einen fernen Landesherrn am anderen Ende der Ostsee zu bekommen? Die Tatigkeit der danischen Statthalter, die Stellung der Oeseler Ritterschaft und die wirtschaftlichen Konflikte auf der Insel machen deutlich, dass die danische Herrschaft auf Oesel gepragt war von den vormodernen Bedingungen personaler Herrschaft, minimaler Burokratisierung und standischer Herrschaftsbeteiligung. Ferner wird die Bedeutung Oesels fur Danemark im Kampf um das -dominium maris Baltici- untersucht."