Nietzsche im "Zauberberg"

Der Nietzsche-Herausgeber Mazzino Montinari bescheinigt Thomas Mann, einer der besten Leser des Philosophen zu sein. Diese systematische Untersuchung des „Zauberbergs“ zeigt, wie intensiv Mann sich auf allen Ebenen mit Nietzsche auseinandergesetzt hat. Nietzsches Einfluss auf den Roman geht über die bloße Adaption seiner Theorien hinaus; er prägt die Struktur des Werkes, das Kapitelgefüge sowie die Charaktere. Die Grundthemen und das Milieu des „Zauberbergs“ sind stark von Nietzsche inspiriert. Hans Castorp, der Protagonist, ist ein fragender, experimentierender Reisender, der den spätromantischen Kulturraum Vorkriegseuropas in Metaphysik, Kunst und Politik durchquert. Seine Erfahrungen sind nicht Selbstzweck, sondern dienen als Durchgangsstationen zur Überwindung der romantischen Geistes-Epoche. Auf seiner Reise wächst Castorp zunehmend in die Rolle einer Imitation des Philosophen hinein und muss stellvertretend für Mann die „Selbstüberwindung der Romantik in Nietzsche“ vollziehen. Dieses Erlebnis, so schreibt Mann 1926 in einem Brief, verbindet ihn mit dem Neuen und verleiht seinen Werken eine „geistige Seinsmöglichkeit“.