Wie konnten Menschen ihren Mitmenschen in den gewaltsamen Geschichten der Moderne so viel antun? Iris Därmann bietet eine Antwort, indem sie die Rolle einer historisch neuen Gewaltlust untersucht. Diese Lust verband sich während der transatlantischen Versklavung untrennbar mit der Folter der Auspeitschung. Der Marquis de Sade war nicht nur gut über die Zustände in den französischen Kolonien informiert, sondern machte die koloniale Gewaltlust auch literarisch sichtbar und verwandelte sie in pornografische Praktiken, die auf die Abschaffung der Sklaverei abzielten. In Därmanns Analyse nimmt Sade eine zentrale Rolle ein: Sadismus wird als organisierte Gewaltpraxis, pornografisches Genre und kolonialrassistischer Gebrauch der Lüste verstanden. Sie kritisiert den verharmlosenden Ansatz der Sexualwissenschaften des späten 19. Jahrhunderts, die „Sadismus“ auf die „Perversion“ von Einzeltätern reduzierten. Stattdessen beleuchtet sie die gezielte Wiederaufnahme der Peitschenfolter während der Kolonisierung Afrikas und der Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden. Dabei gibt sie den Opfern sadistischer Gewalt Raum, die sich dieser entgegenstellten. Seit den 1930er-Jahren wurde Sadismus auch zu einer kritischen Kategorie, in der Denker wie Aimé Césaire, Frantz Fanon und Jean Améry Sades radikalpolitisches Projekt aufgriffen und gleichzeitig nach einem anderen Begehren suchten, das den menschlichen Körper nicht zur sadistischen Beu
Iris Därmann Volgorde van de boeken






- 2023
- 2021
Widerstände
Gewaltenteilung in statu nascendi
- 2020
Undienlichkeit
Gewaltgeschichte und politische Philosophie
Ein Schwarzbuch der kolonial- und vernichtungspolitischen Gewalt – und eine Spurensuche nach den versteckten Widerstandsformen gegen sie.Widerstand gegen Gewalt, Sadismus und Grausamkeit äußerte sich in der Geschichte vergleichsweise selten in Form offener Rebellion. Sei es im transatlantischen Sklavenhandel, sei es in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern, angesichts fehlender Handlungsmöglichkeiten, Todesangst und Entrechtung bestand der einzige Ausweg oftmals darin, sich dem Zugriff der Gewalthaber durch Flucht, Sabotage, aber auch durch Abtreibung, Kindstötung, Hungerstreik, Selbstverstümmelung und Suizid zu entziehen. Iris Därmann umreißt die Gewaltgeschichte menschlicher Dienstbarmachung und Versklavung und verschränkt sie mit Körperpolitiken und Widerstandsformen der Undienlichkeit. Dabei beleuchtet sie insbesondere die Rolle der europäischen politischen Philosophie als Legitimitätsbeschafferin der transatlantischen Versklavung und der Vernichtung der europäischen Juden. So entsteht nicht nur eine blutige Gegengeschichte zu den sonstigen Meistererzählungen des abendländischen Denkens, sondern auch ein Panorama des Schreckens, das selbst noch in den Momenten versuchter Selbstbefreiung an die Grenzen des Aushaltbaren rührt, das wir uns aber vor Augen führen müssen, wenn wir verstehen wollen, auf welchen Fundamenten unsere Zivilisation auch fußt.
- 2017
Die Themen »Ökologien der Anderen« und »andere Ökologien« rücken Transformationsbeziehungen zwischen Menschen, Tieren und ihren Umwelten in den Blick und befragen die Reichweite der europäischen Grenzziehungen von Natur und Kultur, Wildheit und Domestikation, Menschen und Tieren. Der Kulturbegriff ist »absoluter Begriff« geworden: »Eigentlich ist alles kulturell«, selbst das, was innerhalb der europäischen Ideen- und Kulturgeschichte der Kultur entgegensetzt wurde: »die Natur« und »das Klima«. Ethnologen wie V. de Castros, P. Descola, M. Strathern u. a. stellen die universelle Reichweite der europäischen Grenzziehungen in Frage und öffnen den Blick für »Ökologien der Anderen«. Der Band problematisiert Hypostasierungen von Kultur, aber auch die Grenzregime von Natur und Kultur: Es wird gefragt, wie die Differenz von Natur und Kultur in der Ethnologie, Bildgeschichte, politischen Zoologie und Philosophie je erzählt worden ist. Transformationsbeziehungen zwischen Menschen, Tieren und Umwelten rücken in den Mittelpunkt – Denkfiguren, Bild- und Praxisformen wie Totemismus und Animismus sowie Praktiken einer anderen Ökologie u. a. im Bereich der Küche, Jagd, Reproduktion.
- 2017
Unter die Haut
Tätowierungen als Logo- und Piktogramme
Schmerzhaft in die Haut gestochen, galten Tätowierungen bis zur Erfindung der Lasertechnologie als unauslöschlich. Sie kennzeichneten über den Tod hinaus und fungierten als Eigentums- und Strafmarkierungen, aber auch als Schutz-, Freiheits- und Identitätszeichen. Der Band spannt einen Bogen von den griechischen Sklavenstigmata über die römischen Straftätowierungen und die Brandzeichen im transatlantischen Sklavenhandel bis hin zur Auschwitzer Nummerntätowierung und ihrer heutigen Bedeutung als Überlebens-, Widerstands- und Erinnerungszeichen. Die Beiträge beleuchten die Rolle von Tätowierungen als Pikto- und Logogramme und fragen, inwiefern Tätowierungen mit einem spezifischen Befehls- und Steuerungspotential und mit einem subversiven Gegensinn ausgestattet sind. Für wen sind sie lesbar in einer bestimmten Situation und ihren historischen Transformationen?
- 2014
Kraft der Dinge
Phänomenologische Skizzen
Die Frage nach dem Ding und seiner spezifischen Handlungs- und Affektkraft bildet einen wichtigen Schwerpunkt gegenwärtiger Debatten. Wer den Dingen indes eine ominöse Eigenmacht zuspricht, der gerät leicht in den Verdacht des Anthropomorphismus, des magischen Denkens oder des Aberglaubens. Wer Dinge hingegen auf passive Verfügungs- und Transaktionsobjekte oder auf bloße Gegenstände der Vorstellung und Erkenntnis reduziert, der verkennt die Mitwirkung der Dinge bei allem, was wir tun und unterlassen. Die Beiträge des Bandes begegnen solchen Über- und Unterbestimmungen der Dinge mit genuin phänomenologischen Methoden. Dabei geht es um die Widerständigkeit, Undienlichkeit und Aufsässigkeit der Dinge einerseits und um ihre Gebrauchs- und Verwendungsweisen im Feld der Praxis und Aisthesis andererseits. Anhand der Analyse konkreter Dinge wie Requisiten, Miniaturen, Reliquien, Designerstühle, Autos und technische Geräte zeigen die Beiträge zugleich, dass die Frage nach dem Ding einen paradigmatischen Zugang zur Phänomenologie als eine der wichtigsten philosophischen Methoden des 20. und 21. Jahrhunderts erlaubt. Mit Beiträgen von Hartmut Böhme, Roland Breeur, Jean-François Courtine, Günter Figal, Klaus Held, Leonard Lawlor, Thomas Macho, Käte Meyer-Drawe, Paul Moyaert, Konrad Paul Liessman, Sonja Rinofner-Kreidl, Alice Pechriggl und László Tegenlyi.
- 2011
Kulturtheorien zur Einführung
- 243bladzijden
- 9 uur lezen
Die Küche, das Haus und die Verwandtschaft, das Opfer, die Magie, das Spiel und die Dinge, Ritualität, Performativität und Theatralität sind die Themen dieser Einführung in die Geschichte der Kulturtheorien. Der Band legt den Akzent auf solche Theorien, die sich mit kulturellen Praktiken, mit Riten, Kultur-, Reproduktions- und Körpertechniken auseinandersetzen, und stellt die Klassiker der modernen Kulturtheorie in eine Transformationsbeziehung zu den einschlägigen Autoren der Antike und der Neuzeit: John L. Austin, Roland Barthes, Roger Caillois, Norbert Elias, Arnold van Gennep, Erving Goffman, Martin Heidegger, Johan Huizinga, Jacques Lacan, Claude Lévi-Strauss, Marcel Mauss, Friedrich Nietzsche, Georg Simmel, Victor Turner, Jean-Pierre Vernant.
- 2010
Theorien der Gabe zur Einführung
- 192bladzijden
- 7 uur lezen
Inhalt: Die Gabe : zum Auftakt -- Marcel Mauss : Sozialtheorie der Gabe, Gabentheorie der Kultur : zum Essay "Über die Gabe"--Georges Bataille : Opfergewalt, Potlatch und exzessive Verausgabung -- Claude Lévi-Strauss : Gabe, Frauentausch und Reziprozität -- Jacques Derrida : reine Gabe, unbedingte Gastfreundschaft und allgemeine Ökonomie -- Michel Serres : Schnorrer, Schmarotzer und Parasiten -- Zwischendinge, Quasi-Objekte, Aktanten : ein Ausblick
- 2009
Figuren des Politischen
- 304bladzijden
- 11 uur lezen
- 2008
Die Tischgesellschaft
Philosophische und kulturwissenschaftliche Annäherungen
- 240bladzijden
- 9 uur lezen
Die Beiträge in diesem Band richten philosophische und kulturwissenschaftliche Perspektiven auf das facettenreiche Phänomen des Essens. Damit wird für den deutschsprachigen Raum erstmals ein Buch präsentiert, das die menschliche Tischgesellschaft in ihren historischen, sozialen, politischen, ästhetischen, performativen, kulinarischen und ethischen Dimensionen erschließt. Während das vorherrschende Dispositiv die Ernährung auf die biologischen Funktionen der Nährstoffzufuhr reduziert, vermitteln die hier versammelten Aufsätze den kulturellen Überschuss unserer alltäglichsten Handlung.
